Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen für die Löschung von Forst- und Weiderechten im Grundbuch.

2. Die Anwendbarkeit des Unschädlichkeitszeugnisgesetzes setzt einen Veräußerungsvorgang voraus. Ist die Veräußerung im Grundbuch vollzogen, kommt eine Löschung der Belastung auf dieser Grundlage nicht mehr in Betracht.

 

Normenkette

EGBGB Art. 120 Abs. 1; GBO §§ 18, 22, 29, 84 Abs. 2 Buchst. b, § 85 Abs. 2; Unschädlichkeitszeugnisgesetz (Bay) Art. 1

 

Verfahrensgang

AG Garmisch-Partenkirchen (Aktenzeichen Farchant Blatt 2461-55)

 

Tenor

Die Zwischenverfügung des AG Garmisch-Partenkirchen - Grundbuchamt - vom 13.1.2012 wird aufgehoben.

 

Gründe

I. Im Grundbuch war die Beteiligte zu 1, ein Kraftwerksunternehmen in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft, als Eigentümerin (u.a.) des Grundstücks xxx (Landwirtschaftsfläche, Gebäude- und Freifläche) eingetragen. Das Grundstück wurde zerlegt (Flst xxx: Gebäude- und Freifläche; Flst xxx: Landwirtschaftsfläche). Das Grundstück Flst xxx wurde sodann am 16.12.2011 an den Beteiligten zu 2, den Komplementär der Beteiligten zu 1, aufgelassen und mit dem Vollzug der Auflassung die Aufhebung der Vereinigung beider Flurstücke beantragt. Demgemäß wurde es am 29.3.2012 auf ein neues Grundbuchblatt übertragen; zugleich wurde der Beteiligte zu 2 als Eigentümer eingetragen.

Der Beteiligte zu 2 hat mit anwaltlichem Schreiben vom 16.11.2011 die Löschung der im Grundbuch in der Zweiten Abteilung (Nr. 1) vorgetragenen und am 14.11.1911 eingetragenen Forst- und Weiderechte für die auf einem anderen Grundbuchblatt näher bezeichneten Berechtigten beantragt. Er hat dies für das Grundstück Flst xxx damit begründet, dass es mit einem Wohnhaus bebaut und umzäunt sei und er bereits 1995 an die Weidegenossenschaft eine von deren Vorstand bestätigte Ablöse bezahlt habe. Das dingliche Recht sei nur noch eine "leere Hülse". Grunddienstbarkeiten, die als solche nicht mehr ausgeübt werden könnten, seien von Amts wegen zu löschen.

Mit Zwischenverfügung vom 13.1.2012 hat das Grundbuchamt die fehlenden Löschungsbewilligungen der Forst- und Weideberechtigten bzw. ihrer Rechtsnachfolger beanstandet. Soweit die Forst- und Weiderechte als subjektiv dingliche Rechte beim berechtigten Anwesen gebucht seien, sei weiterhin auch die Bewilligung der Drittberechtigten erforderlich. Im Fall einer Löschungsbewilligung durch die Gemeinschaft bzw. Vereinigung (Rechtlerverband) sei weiter der Nachweis der entsprechenden Vertretungsberechtigung bzw. einer Vollmacht jeweils in der Form des § 29 GBO vorzulegen.

Das Grundbuchamt vertritt die Auffassung, bei den Belastungen handle es sich um dingliche Rechte auf wiederkehrende Entnahme oder wiederkehrende Lieferung von Walderzeugnissen sowie Heim- und Almweiderechte. Für diese Art von Rechten käme nur eine Löschung nach § 84 Abs. 2 Buchst. b GBO in Betracht, wenn sie aus tatsächlichen Gründen nicht mehr ausgeübt werden könnten. Eine objektive oder dauerhafte Unmöglichkeit der Ausübung sei jedoch nicht gegeben. Bebauung und Umzäunung machten die Ausübung der Rechte nicht dauerhaft und für alle Zukunft unmöglich, da der Berechtigte gerade deswegen die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes verlangen könne.

Was die Ablöse angehe, sei nicht feststellbar, inwieweit sämtliche eingetragenen Berechtigten und deren Rechtsnachfolger ordnungsgemäß durch den Verband vertreten würden. Etwaige frühere Vollmachten seien mittlerweile durch diverse Erbgänge und Veräußerungen nicht mehr aktuell. Auch dürften wohl nicht sämtliche eingetragenen Berechtigten und deren Rechtsnachfolger Mitglieder der Vereinigungen sein.

Demnach seien Löschungsbewilligungen bzw. eine Pfandfreigabe von sämtlichen Berechtigten (bzw. deren Rechtsnachfolgern) in jeweils notariell beglaubigter Form erforderlich, bei Buchung als subjektiv dingliche Rechte ferner noch die Bewilligung der Drittberechtigten. Eine Abschreibung (nach § 1026 BGB) scheide aus.

Eine "Freiveräußerungsklausel", die die Freigabeerklärungen der Berechtigten überflüssig machen würden, liege dem AG lediglich als unbeglaubigte Kopie vor.

Gegen die am 13.1.2012 zugestellte Zwischenverfügung richtet sich die Beschwerde. Es sei unmöglich, 465 Berechtigte zur formgerechten Abgabe einer Löschungsbewilligung zu bewegen. Mittels Ortsbesichtigung könne sich das AG davon überzeugen, dass sich das Grundstück in einem Baugebiet befinde, selbst eingezäunt und bebaut sei und das Forstrecht nur noch eine "leere Hülse" darstelle. Das AG hätte zudem prüfen müssen, ob und inwieweit ein Unschädlichkeitszeugnis hätte erteilt werden können.

Schließlich wird auf die vom Grundbuchamt angesprochene Freiveräußerungsklausel ("Konstatierung" vom 18.12.1911) hingewiesen.

Das AG hat nicht abgeholfen.

II. Die Zwischenverfügung ist - aus formellen Gründen - aufzuheben.

1. Das Rechtsmittel ist als Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen die Zwischenverfügung (§ 71 Abs. 1 i.V.m. § 18 Abs. 1 GBO) zulässig. Die Beteiligte zu 1 ist insbesondere (noch) beschwerdeberechtigt. Es spielt in diesem ...

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