Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlende Feststellungen zum Mindestschuldumfang in Betäubungsmittelverfahren [Heroin]

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Einen Erfahrungssatz dahingehend, dass Heroin mit einem bestimmten Wirkstoffgehalt gehandelt wird, gibt nicht. Heroin wird nämlich in unterschiedlicher Qualität mit Reinheitsgraden zwischen 1 % und 100 % in der Rauschgiftszene angeboten.

2. Will der Tatrichter der Verurteilung zu Grunde legen, dass so genanntes “Straßenheroin„ erfahrungsgemäß nur einen Heroinhydrochloridanteil von lediglich 3 % aufweist, hat er jedenfalls darzulegen, worauf seine Erfahrungen beruhen und warum diese auf den vorliegenden Einzelfall anzuwenden sind.

 

Verfahrensgang

LG Augsburg (Urteil vom 14.12.2007)

 

Tenor

I. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 14. Dezember 2007 wird als unbegründet verworfen.

II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Das Landgericht ist zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass, nachdem der Wirkstoffgehalt des erworbenen Heroins nicht festgestellt wurde, es sich um “Straßenqualität" mit einem relativ niedrigen Wirkstoffgehalt, nicht über handelt hat (BU S. 7).

Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Einen Erfahrungssatz dahingehend, dass Heroin mit einem bestimmten Wirkstoffgehalt gehandelt wird, gibt nicht. Will der Tatrichter der Verurteilung zu Grunde legen, dass so genanntes “Straßenheroin„ erfahrungsgemäß nur einen Heroinhydrochloridanteil von lediglich 3 % aufweist, hat er jedenfalls darzulegen, worauf seine Erfahrungen beruhen und warum diese auf den vorliegenden Einzelfall anzuwenden sind (OLG München Beschluss vom 10.12.2007 - 4St RR 215/07 - für die Annahme von “5-7% Wirkstoffgehalt"; OLG München Beschluss vom 18.02.2008 - 4St RR 16/08 - für die Annahme von “durchschnittlicher Qualität„). Heroin wird nämlich in unterschiedlicher Qualität mit Reinheitsgraden zwischen 1 % und 100 % in der Rauschgiftszene angeboten (OLG München Beschluss vom 22.02.2008 - 4StR 23/08 -).

Da im vorliegenden Fall das Heroin zum Eigenkonsum bestimmt und der Angeklagte geständig war, hätte der Wirkstoff durch Befragung des seit 13 Jahren drogenerfahrenen Angeklagten (BU S. 4) und unter Berücksichtigung des Kaufpreises bestimmt werden können.

Angesichts des von der Strafkammer ohnehin zu Gunsten des Angeklagten angenommenen sehr niedrigen Wirkstoffgehalts von 3 % kann der Senat jedoch ausschließen, dass die Annahme eines noch niedrigeren Wirkstoffgehalts sich in der Strafzumessung erkennbar niedergeschlagen hätte. Der Angeklagte ist deshalb durch den aufgezeigten Rechtsfehler nicht beschwert.

2. Rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass der Angeklagte auch für die Tat vom 29.1.2007 wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 BtMG verurteilt wurde. Mangels Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt läge nur dann kein Erwerb, sondern ein strafloser Konsum vor, wenn das Rauschgift nur zum Mitgenuss bzw. in verbrauchsgerechter Menge zum sofortigen Verbrauch an Ort und Stelle hingegeben wird. In einem solchen Fall bleibt die Verfügungsmacht bei dem Übergebenden. Er bestimmt, ob und inwieweit das Betäubungsmittel für den Genuss bereitgestellt wird (vgl. BayObLG NStZ 1990, 395). Diese Voraussetzungen hat das Landgericht nicht festgestellt.

Kosten: § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2581096

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