Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundbuchverfahrensrechtliche Anforderungen an ein Gerichts- oder Behördensiegel

 

Normenkette

GBO § 29 Abs. 3, §§ 18, 38, 46 Abs. 1, § 71 Abs. 1; InsO § 200 Abs. 2 S. 2, § 32 Abs. 2 S. 1; ZPO § 725; RPflG § 11 Abs. 1; GG Art. 70 Abs. 1, Art. 31 Abs. 1; BayWappenG § 2 Abs. 3; BayAVWpG § 8 Abs. 4; AVWpG § 8 Abs. 4

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 14.12.2016; Aktenzeichen V ZB 88/16)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die Zwischenverfügung des AG Passau - Grundbuchamt - vom 22.12.2015 wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Als Eigentümer von Grundbesitz sind die Beteiligten zu 2 und 3 neben zwei weiteren Personen mit dem Zusatz "als Gesellschafter des bürgerlichen Rechts" seit 24.1.1994 im Grundbuch eingetragen. Hinsichtlich der Anteile beider Beteiligter wurde am 30.6.2004 und 1.7.2004 auf Ersuchen des Insolvenzgerichts die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Abteilung II (lfd. Nr. 4 und 5) eingetragen.

Mit Schreiben vom 25.11.2015 und 14.12.2015 ersuchte das Insolvenzgericht München - Beteiligter zu 1 - unter Bezugnahme auf § 200 Abs. 2 Satz 2 InsO das Grundbuchamt Passau, die Eintragung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens an beiden Stellen zu löschen. Die auf Behördenpapier erstellten Ersuchen enden mit einer Wiedergabe des Namens und der Dienstbezeichnung der Rechtspflegerin im ausgedruckten Text bzw. als Stempelaufdruck und sind an dieser Stelle mit schwarzem bzw. blauem Kugelschreiber unterschrieben. Rechts neben dem Unterschriftsfeld ist jeweils ein kreisrundes Dienstsiegel im Durchmesser von 35 mm mit großem Staatswappen und der Umschrift "Bayern AG" drucktechnisch angebracht. Beigefügt ist dem Ersuchen vom 25.11.2015 eine Ausfertigung und dem Ersuchen vom 14.12.2015 eine einfache Abschrift des im jeweiligen Insolvenzverfahren ergangenen Beschlusses vom 16. bzw. 17.12.2013, wonach das Insolvenzverfahren "nach nunmehr vollzogener Schlussverteilung aufgehoben" wird.

Mit fristsetzender Zwischenverfügung vom 22.12.2015 hat das Grundbuchamt - Rechtspfleger - die Form der Eintragungsersuchen beanstandet. Diese seien nicht mit einem ordnungsgemäßen Siegel versehen und entsprächen daher nicht der Form des § 29 Abs. 3 GBO.

Gegen die Zwischenverfügung wendet sich das Insolvenzgericht mit einem von der Rechtspflegerin unterzeichneten und einem wortgleichen, aber von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterzeichneten Beschwerdeschreiben. Darin wird die Meinung vorgetragen, das im Eintragungsersuchen maschinell aufgedruckte Siegel erfülle die rechtlichen Vorgaben und sei daher formgerecht gestellt.

Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen und zur Begründung noch ausgeführt, eine Siegelung in grundbuchmäßiger Form erfordere das Aufbringen eines Prägesiegels (Trockensiegel oder Wachssiegel) oder Farbdrucksiegels (Stempel), denn nur die Verwendung eines solchen Dienstsiegels gewährleiste die Echtheit eines Dokuments. Ein Zurückbleiben hinter diesem Standard sei mit landesrechtlichen Vorschriften, hier der Verordnung zur Ausführung des Gesetzes über das Wappen des Freistaates Bayern (AVWpG), und erst recht nicht mit Verwaltungsvorschriften, hier der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (AGO), zu begründen. Andernfalls würden angesichts der problemlosen Reproduzierbarkeit maschinell ausgedruckter Siegel der eigentliche Sinn und Zweck der Siegelung und damit der gesetzlichen Formvorschrift unterlaufen. Zudem entspreche die Gestalt des maschinell erzeugten Siegels nicht den in der landesrechtlichen Verordnung gemachten Vorgaben.

II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Die Beschwerde erweist sich als zulässig.

a) Gegen die auf ein gerichtliches Eintragungsersuchen ergangene Zwischenverfügung des Rechtspflegers, § 18 GBO, ist nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO die Beschwerde statthaft. Dass hier der Rechtspfleger des Grundbuchamts ein Geschäft des funktionell zuständigen Urkundsbeamten, § 12c Abs. 2 Nr. 3 GBO, wahrgenommen hat, ändert an der Wirksamkeit des Geschäfts nichts (vgl. § 8 Abs. 5 RPflG) und macht ein der Beschwerde vorgeschaltetes Verfahren nach § 12c Abs. 4 GBO nicht erforderlich (Hügel/Kramer GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 58 m.w.N.).

b) Beschwerdebefugt sind Behörden und Gerichte, soweit ihnen nach dem Gesetz die Befugnis eingeräumt ist, das Grundbuchamt um eine Eintragung nach § 38 GBO zu ersuchen (LG Frankenthal Rpfleger 2002, 72; LG Dessau ZInsO 2001, 626 - jeweils Insolvenzgericht; BGH FGPrax 2013, 54 - Landwirtschaftsgericht; OLG Hamm Rpfleger 2011, 453 - Versteigerungsgericht; OLG Hamm Rpfleger 1996, 338 - Umlegungsausschuss; Hügel/Zeiser § 38 Rn. 17; Hügel/Kramer § 71 Rn. 233 f.; Budde in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 86; Meikel/Schmidt-Räntsch GBO 11. Aufl. § 71 Rn. 147). Das Insolvenzgericht ist daher gemäß § 200 Abs. 2 Satz 2, § 32 Abs. 2 Satz 1 InsO berechtigt, sich mit der Beschwerde gegen die Zwischenverfügung zu wenden.

c) Funktionell ist gemäß § 18 i.V.m. § 3 Abs. 2 Buchst. e RPflG der...

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