Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Pauschal- und Zeithonoraren
Leitsatz (amtlich)
Pauschal- oder Zeithonorare, die ein Rechtsanwalt mit seinem Auftraggeber als Vergütung für eine vorgerichtliche Tätigkeit vereinbart hat, sind keine Geschäftsgebühren im Sinne der Nr. 2300 RVG-VV und damit auch nicht gem. der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV auf die im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren entstandene Verfahrensgebühr anzurechnen.
Normenkette
ZPO §§ 91, 103-104; RVG-VV Vorbemerkung 3 Abs. 4; RVG-VV Nr. 2300
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 11.02.2009; Aktenzeichen 29 O 10189/08) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Wert der Beschwerde beträgt 298,90 EUR.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin hat die Beklagte mit ihrer Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich materieller und immaterieller Zukunftsschäden in Anspruch genommen. Vor Klageerhebung hatte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin deren Ansprüche mit Schriftsatz vom 2.8.2007 dem Grunde nach geltend gemacht. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten hatten mit Schreiben vom 9.8.2007 deren Eintrittspflicht bereits dem Grunde nach endgültig abgelehnt. Die Parteien haben im Termin vom 5.12.2008 einen Vergleich geschlossen, wonach von den Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Vergleichs die Klägerin 7/8 und die Beklagte 1/8 zu tragen hat.
Mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 9.12.2008 haben die Beklagtenvertreter unter Anderem eine 1,3-Verfahrensgebühr i.H.v. 683,80 EUR netto geltend gemacht, die von der Rechtspflegerin im Beschluss vom 11.2.2009 auch antragsgemäß berücksichtigt worden ist.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Zur Begründung wird ausgeführt, die unterlassene Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr gem. der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV sei fehlerhaft. Soweit der Beklagtenvertreter vorgetragen habe, es sei aufgrund der ständigen Geschäftsbeziehung mit der Beklagtenpartei eine Rahmenvereinbarung getroffen worden, durch welche die außergerichtliche Tätigkeit für die Beklagte durch eine Pauschalvergütung an Stelle der Geschäftsgebühr abgegolten werde, sei ein diesbezüglicher Nachweis nicht geführt worden. Der Beklagtenvertreter habe lediglich anwaltlich versichert, dass eine Geschäftsgebühr nicht entstanden sei.
Die Anrechnungsvorschrift gem. der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV spreche zwar von dem Anfall einer Geschäftsgebühr. Die Bestimmung sei jedoch ihrem Zweck und ihrer Entstehungsgeschichte nach auszulegen. Wenn man der Argumentation des Beklagtenvertreters folgte, würde der Gesetzeszweck der Anrechnungsvorschrift, nämlich das Verbot einer Doppelbezahlung, unterlaufen. Der Kostenerstattungsanspruch bedeute schon begrifflich, dass ein Dritter nur insoweit Kosten zu erstatten habe, als der ursprünglich Kostentragungspflichtige im Innenverhältnis ggü. seinem Rechtsanwalt zu zahlen habe. Hieraus ergebe sich, dass im Außenverhältnis ggü. dem Kostenerstattungspflichtigen nicht mehr Kosten geltend gemacht werden könnten, als der Kostenerstattungsberechtigte im Innenverhältnis an seinen Rechtsanwalt zu zahlen habe.
Es sei davon auszugehen, dass im Innenverhältnis entweder eine Anrechnung der außergerichtlichen Vergütung auf die gerichtliche Verfahrensgebühr erfolge oder aber die Pauschale derart niedrig sei, dass selbst die gesetzlichen Gebühren bei einer Anrechnung höher wären.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO). Das Rechtsmittel erweist sich jedoch als unbegründet.
1. Es trifft zwar zu, dass sich die im gerichtlichen Verfahren nach der Nr. 3100 RVG-VV anfallende 1,3-Verfahrensgebühr durch die anteilige Anrechnung einer vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr nach der Nr. 2300 RVG-VV gem. der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV entsprechend vermindert. Dabei ist es nach der Rechtsprechung des BGH ohne Bedeutung, ob die Geschäftsgebühr auf materiell-rechtlicher Grundlage vom Prozessgegner zu erstatten und ob sie unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen ist (u.a. BGH NJW 2008, 1323; FamRZ 2008, 1346 = AGS 2008, 364; NJW-RR 2008, 1528 = AGS 2008, 441 = JurBüro 2008, 468; AGS 2008, 377 = JurBüro 2008, 529; FamRZ 2008, 2023 = VersR 2008, 1666). Dieser Rechtsprechung des BGH hat sich der Senat mittlerweile in mehreren Entscheidungen aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Rechtssicherheit angeschlossen.
2. Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens kann jedoch bereits nach dem Wortlaut der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV nur dann in Betracht kommen, wenn die Geschäftsgebühr tatsächlich entstanden ist. Dies ist dann nicht der Fall, wenn der Rechtsanwalt mit seinem Auftraggeber ein über oder unter dem gesetzlichen Gebührenanspruch liegendes Pauschalhonorar gem. § 4 Abs. 1 RVG vereinbart.
a) Entgegen der Auffassung der ...