Leitsatz (amtlich)

1. Die Umdeutung eines vom anderen Ehegatten nicht unterzeichneten gemeinschaftlichen Testaments in ein Einzeltestament erfordert die Feststellung, dass nach dem Willen des Testierenden seine Verfügung auch unabhängig vom Beitritt des anderen Ehegatten gelten sollte.

2. Sieht das unvollständige gemeinschaftliche Testament eine gegenseitige Alleinerbeinsetzung und eine Schlusserbeneinsetzung von Verwandten beider Ehegatten zu gleichen Teilen vor, kann gegen einen solchen Willen sprechen, dass der Testierende selbst ohne den Beitritt des anderen Ehegatten nicht dessen Alleinerbe wäre und die angestrebte gleichmäßige Aufteilung des gemeinschaftlichen Vermögens bei Umdeutung in Vor- und Nacherbfolge nicht erreicht würde.

 

Normenkette

BGB §§ 2084, 2047, 2265, 2267

 

Verfahrensgang

AG München (Beschluss vom 24.10.2013; Aktenzeichen 60 VI 3655/13)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des AG München - Nachlassgericht - vom 24.10.2013 aufgehoben.

II. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 vom 6.5.2013 wird zurückgewiesen.

III. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 32.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Erblasser (geboren 1921) ist Anfang 2013 im Alter von 91 Jahren verstorben. Die Beteiligte zu 1 (geboren 1936) ist seine Ehefrau. Die Ehegatten haben keine Abkömmlinge. Die Beteiligte zu 2 ist die einzige Tochter eines vorverstorbenen Bruders des Erblassers. Die beiden anderen Geschwister des Erblassers sind kinderlos vorverstorben. Der Beteiligte zu 3 ist ein Neffe der Beteiligten zu 1. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus dem Hälfteanteil des Erblassers an der Eigentumswohnung, die die Ehegatten 2006 gekauft haben.

Es liegen vier inhaltsgleiche, vom Erblasser handschriftlich geschriebene und unterschriebene Testamente vor. Zwei sind datiert auf den 7.7.2011, zwei auf den 31.5.2011. Sie lauten auszugsweise:

"Gemeinschaftliches Testament

Wir, die Eheleute ... setzen uns hiermit gegenseitig als Alleinerben ein. Der Erbe des Letztverstorbenen soll (Beteiligte zu 2) sein, ...

Als zweiten gleichberechtigten Erbe setzen wir (Beteiligter zu 3) ein."

Es liegen ferner zwei computergeschriebene Entwürfe vor, die zusätzlich zu dem Text der handschriftlichen Testamente eine Beitrittserklärung der Ehefrau mit Datum und Unterschrift sowie Wünsche für die Nachlassabwicklung nach dem Letztversterbenden enthalten, die in einem Entwurf knapper, im anderen ausführlicher gehalten sind.

Die Beteiligte zu 1 hat die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als alleinige befreite Vorerbin, die Beteiligten zu 2 und 3 als Nacherben, sowie eine weitere Nacherbfolge für den Erbteil der Beteiligten zu 2 ausweist. Sie ist der Auffassung, die privatschriftlichen Verfügungen des Erblassers seien umzudeuten in Einzeltestamente. Die Beteiligte zu 2 ist dem entgegengetreten. Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 24.10.2013 den beantragten Erbschein bewilligt. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 2.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die vorliegenden letztwilligen Verfügungen können nicht in Einzeltestamente des Erblassers umgedeutet werden. Sie sind deshalb nicht maßgeblich für die Erbfolge. Der vom Nachlassgericht bewilligte Erbschein entspricht nicht der Erbrechtslage.

1. Die letztwilligen Verfügungen vom 7.7.2011 bzw. 31.5.2011 stellen sich jeweils als unvollständiges gemeinschaftliches Testament dar: Sie sind mit "gemeinschaftliches Testament" überschrieben, vom Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben, vom anderen Ehegatten aber nicht unterzeichnet worden. Ein solcher Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments kann als Einzeltestament aufrechterhalten werden, wenn der Ehegatte, der seine Erklärung in der Form des § 2247 BGB vollständig abgegeben hat, gewollt hat, dass seine Verfügung unabhängig vom Beitritt des anderen Ehegatten gelten soll, ihre Wirkung also sofort eintreten und nicht von der entsprechenden Erklärung des anderen Ehegatten abhängig sein soll (vgl. Staudinger/Kanzleiter BGB [Juli 2013] § 2265 Rz. 14 m.w.N.). Maßgeblich ist, dass der Erblasser auch in Kenntnis der fehlenden entsprechenden Verfügung des anderen Ehegatten seine eigene Verfügung treffen wollte (OLG München NJW-RR 2010, 1382/1383). Der Erblasserwille ist auch insoweit nach den allgemeinen Grundsätzen der Testamentsauslegung zu ermitteln (vgl. BGH NJW-RR 1987, 1410; Palandt/Weidlich BGB, 73. Aufl. 2014 § 2267 Rz. 4 m.w.N.). Es muss außer Zweifel stehen, dass der Erblasser die Urkunde als seine rechtsverbindliche letztwillige Verfügung angesehen hat und sich dessen bewusst war, diese könne als sein Testament betrachtet werden (BayObLG NJW-RR 1992, 332/333). Kann festgestellt werden, dass er den Willen hatte, seine Verfügung unabhängig vom Beitritt des anderen Ehegatten als einseitige letztwillige Verfügung gelten zu lassen, kann seine Verfügung als Einzeltestament aufrechterhalten werden (BGH NJW-RR 1987, 1410; OLG Frankfurt FGPrax 1998, 145; OLG Frankfurt FamRZ 2012, 330...

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