Leitsatz (amtlich)

Das Urteil eines Vertragsstaates des EuGVÜ ist nicht anerkennungsfähig, wenn zwischen den Vertragsstaaten ein Zustellungsvertrag besteht, der Ursprungsstaat jedoch die Zustellung nach dem innerstaatlichen Recht vornimmt, dieses aber nicht mit dem Zustellungsvertrag im Einklang steht.

 

Normenkette

EuGVÜ Art. 34 Abs. 2 i.V.m. Art. 27 Nr. 2, Art. 46 Nr. 2; HZÜ Art. 5 Abs. 2, Art. 10a i.V.m. § 6

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 03.04.2002; Aktenzeichen 29 O 16704/01)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Vorsitzenden der 29. Zivilkammer des LG München I vom 3.4.2002 aufgehoben.

II. Der Antrag der Antragstellerin auf Erteilung der Vollstreckungsklausel für das Urteils des Appellationsgerichts von Amiens/Frankreich vom 8.9.2000, Rg. 99/1068 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

 

Gründe

I. Auf Antrag der Antragstellerin hat der Vorsitzende der 29. Zivilkammer des LG München I mit Beschl. v. 3.4.2002 angeordnet, das am 8.9.2000 erlassene Urteil des Appellationsgerichtshofes von Amiens/Frankreich, Az.: Rg. 99/1068, durch das eine...zur Zahlung von 615.566,72 FF zzgl. Zinsen und Kosten verurteilt worden ist, mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Antragstellerin die formellen Voraussetzungen für die Erteilung der Vollstreckungsklausel durch Vorlage der nach Art. 46 Nr. 1, 47 Nr. 1 EuGVÜ erforderlichen Urkunden erfüllt haben und ein Anerkennungshindernis nach Art. 27, 28 EuGVÜ nicht ersichtlich sei.

Die daraufhin am 10.4.2002 von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle erteilte Vollstreckungsklausel wurde am 15.4.2004 zusammen mit dem angefochtenen Beschluss der Antragsgegnerin zugestellt. Am 14.5.2002 hat die Antragsgegnerin Beschwerde beim OLG München eingelegt. Zur Begründung ihrer Beschwerde trägt sie vor, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück ihr nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Die Antragsgegnerin habe sich in Frankreich weder auf das erstinstanzliche noch auf das Berufungsverfahren eingelassen. Bei der Entscheidung sowohl des erstinstanzlichen Gerichts als auch derjenigen des Berufungsgerichts handele es sich daher um eine Versäumnisentscheidung. Die Klageschrift sollte ihr durch formlose Übergabe mittels eins deutschen Rechtspflegers übergeben werden. Sie habe die Annahme jedoch verweigert, weil die Klageschrift nur in französischer Sprache abgefasst gewesen sei, eine Übersetzung nicht beigelegen habe und sie in der Klageschrift nicht eindeutig als Partei identifizierbar gewesen sei. Als Beklagte sei eine "...." aufgeführt. Im Anschluss daran sei ihr die Klageschrift auf dem Postwege wiederum ohne Übersetzung übersandt worden. Die Zustellung sei daher fehlerhaft gewesen, weil sie nicht den Vorschriften des Haager Zustellungsübereinkommens vom 15.11.1965 (HZÜ) entsprochen habe. Auch scheide eine wirksame Zustellung nach anderen Vorschriften aus. Auch eine wirksame Zustellung der Berufungsschrift der Antragstellerin liege nicht vor, weil auch diese nur auf dem Postwege ohne Übersetzung übersandt worden sei. Hierbei habe es sich zudem nicht um das verfahrenseinleitende Schriftstück gehandelt. Eine Heilung der Zustellungsmängel komme nicht in Betracht. Diese Möglichkeit beurteile sich nach dem vorrangig anzuwendenden HZÜ, das jedoch keine Heilungsmöglichkeit vorsähe. Damit liege ein Anerkennungshindernis gem. Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ vor.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Beschluss des LG München I vom 10.4.2002 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin auf Vollstreckbarerklärung des Urteils des Appellationsgerichts von Amiens/Frankreich vom 8.9.2000 Rg. 99/1068 zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie meint, auf das Verfahren sei die seit dem 1.3.2002 anwendbare EuGVVO, die gem. Art. 68 EuGVVO das EuGVÜ verdränge, anzuwenden. Aber auch ein Anerkennungshindernis nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ liege nicht vor. Zwar habe sich die Antragsgegnerin auf das französische Verfahren nicht eingelassen. Die Zustellung sei jedoch ordnungsgemäß und so rechtzeitig gewesen, dass die Antragsgegnerin sich noch verteidigen habe können, weil aufgrund der vorgelegten Urkunden nachgewiesen sei, dass die Ladung vom 27.10.1998 zum Termin vom 22.1.1999 vor dem Handelsgericht von Amiens und die Klageschrift vom Gerichtsvollzieher an die zuständige Dienststelle der Staatsanwaltschaft der französischen Republik übergeben worden seien. Damit sei die Zustellung abgeschlossen gewesen. Die Staatsanwaltschaft habe dann die Ladung und Klageschrift entsprechend den Vorschriften des HZÜ an die zuständigen deutschen Behörden übermittelt. Der französische Gerichtsvollzieher habe zusätzlich die Klage und die Ladung an die Antragsgegnerin durch Einschreibebrief übersandt, dessen Eingang bei der Antragsgegnerin am 28.10.1998 bestätigt wurde. Damit sei die Zustellung ordnungsgemäß erfolgt ("remise au parquet"). Dieses Verfahren habe der französischen Ver...

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