Leitsatz (amtlich)

1. Die gesetzliche Vermutung für das gegenwärtige Bestehen des im Grundbuch eingetragenen Rechts gilt auch für das Grundbuchamt selbst und wird nur durch den vollen Beweis des Gegenteils widerlegt.

2. Der Erbschein entfaltet im Grundbuchverfahren über die materiell-rechtliche Vermutungswirkung des bürgerlichen Rechts hinaus volle Beweiskraft für das Bestehen des in ihm bezeugten Erbrechts.

 

Normenkette

BGB § 891 Abs. 1, §§ 894, 2365; GBO § 22 Abs. 1, § 35 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Augsburg (Beschluss vom 02.07.2015; Aktenzeichen Grundbuchamt)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des AG Augsburg - Grundbuchamt - vom 2.7.2015 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 500.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Als Eigentümer des gegenständlichen Grundbesitzes waren die Eheleute Lorenz und Therese Sch. im Güterstand der allgemeinen Gütergemeinschaft (in der bis 31.3.1953 geltenden Fassung des BGB) im Grundbuch eingetragen. Die mit dem Versterben von Lorenz Sch. am 24.8.1931 beendete Gütergemeinschaft und die aus Therese Sch. sowie fünf Kindern bestehende Erbengemeinschaft nach Lorenz Sch. wurden in der Folgezeit nicht auseinandergesetzt. Hinsichtlich des gütergemeinschaftlichen Anteils von Lorenz Sch. und nach dem Versterben von Therese Sch. auch hinsichtlich deren Anteils wurden im Grundbuch die Erben nach inzwischen mehreren Erbgängen mit teils gesetzlicher und teils testamentarisch angeordneter Erbfolge je auf der Grundlage von Erbscheinen oder notariell beurkundeten letztwilligen Verfügungen eingetragen und die notariell beurkundete Erbanteilsübertragung von Therese Sch. auf ihren Sohn Johann Sch. nachvollzogen. Am 22.11.2005 wurde Irmgard Sch. in Erbengemeinschaft mit fünf weiteren Personen für den Anteil von Johann Sch. nach Therese Sch. und in mehrfach gestufter Erbengemeinschaft hinsichtlich des gütergemeinschaftlichen Anteils nach Lorenz Sch. im Grundbuch eingetragen.

Irmgard Sch. ist verstorben und wurde laut Erbschein vom 18.3.2014 von der Beteiligten und zwei weiteren Personen beerbt. Am 9.7.2007 hatte die Verstorbene dem Ehemann der Beteiligten eine unterschriftsbeglaubigte Generalvollmacht erteilt, die folgenden Wortlaut hat:

Generalvollmacht

Mit dieser Generalvollmacht ermächtige ich ... soweit gesetzlich zulässig, in allen persönlichen Angelegenheiten,..., sowie gegenüber Behörden,... und sonstigen Rechtsangelegenheiten in jeder denkbaren Richtung,

Herrn ...

mich gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten ...

Die Vollmacht berechtigt insbesondere zur Verwaltung meines Vermögens, zur Verfügung über Vermögensgegenstände, zu Vermögenserwerb ... und zu allen Verfahrenshandlungen ... Die Vollmacht bleibt in Kraft, wenn ich geschäftsunfähig geworden sein sollte oder wenn ich nicht mehr lebe ...

Ort, Datum und Unterschrift der Vollmachtgeberin

Die Erben nach Irmgard Sch. wurden am 6.5.2014 im Grundbuch eingetragen.

Der Ehemann der Beteiligten beantragte in seiner Eigenschaft als Generalbevollmächtigter am 6.8.2014 die Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung der Beteiligten als alleinige Eigentümerin. Irmgard Sch. sei aufgrund Erbfolge nach Johann Sch. alleinige Eigentümerin des Grundbesitzes geworden und von der Beteiligten allein aufgrund testamentarischer Verfügung beerbt worden. Diesen Antrag wies das Grundbuchamt mit nicht angefochtenem Beschluss vom 14.8.2014 zurück.

Auf weitere Eingaben des Bevollmächtigten teilte ihm das Grundbuchamt mit formlosem Schreiben vom 1.6.2015 mit, dass für eine Grundbuchberichtigung bis zu einem mit neuen Unterlagen zu führenden Unrichtigkeitsnachweis kein Raum sei. Diese Mitteilung beanstandete der Bevollmächtigte unter Verweis auf die bereits vorgelegten Urkunden. Seine Eingabe hat das Grundbuchamt als Berichtigungsantrag der Beteiligten ausgelegt und mit Beschluss vom 2.7.2015 zurückgewiesen. Der Unrichtigkeitsnachweis sei nicht erbracht. Zu berücksichtigen sei die unterschiedliche Rechtsnachfolge in die gütergemeinschaftlichen Anteile der Eheleute Lorenz und Therese Sch. Zudem seien weder die behauptete Alleinerbenstellung von Irmgard Sch. noch die der Beteiligten selbst durch Erbschein oder notarielle Verfügung von Todes wegen nebst Eröffnungsniederschrift nachgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Generalbevollmächtigte mit der Beschwerde. Alle Originalbelege, deren Vorlage er anbiete, "bestehend aus Testamenten, Verfügungen und Erklärungen" seien "notarisiert und beurkundet".

Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.

Gegenüber dem Beschwerdegericht hat der Generalbevollmächtigte die an ihn gerichtete Frage, für wen er das Rechtsmittel eingelegt habe, mit einem Verweis auf die ihm von Irmgard Sch. erteilte Generalvollmacht beantwortet.

II. Das Rechtsmittel erweist sich als zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

1. Gegen die Zurückweisung des Grundbuchberichtigungsantrages ist nach der herrschenden Meinung die unbeschränkte Beschwerde nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO insoweit statthaft, als mit ihr ...

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