Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Notwendigkeit der Vorlage eines Erbscheins

 

Leitsatz (amtlich)

Der Vorlage eines Erbscheins zur Grundbuchberichtigung bedarf es trotz Konkurrenz zwischen einem gemeinschaftlichen öffentlichen Testament und einer später errichteten eigenhändigen Verfügung von Todes nicht, wenn auch das Nachlassgericht in einem Erbscheinsverfahren nur auf die Zweifelsregelung des § 2270 Abs. 2 BGB zurückgreifen könnte.

 

Normenkette

BGB §§ 2270, 2271 Abs. 1; GBO §§ 22, 35 Abs. 1, § 18 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG München

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten wird die Zwischenverfügung des AG München - Grundbuchamt - vom 16.8.2016 aufgehoben.

 

Gründe

I. Im Wohnungsgrundbuch ist seit 1997 die am 16.1.2015 verstorbene Frau Dr. M. H. noch als Eigentümerin eines Miteigentumsanteils verbunden mit dem Sondereigentum an einer Wohnung eingetragen. Am 13.7.2015 hat der Beteiligte, Ehemann der Verstorbenen, Grundbuchberichtigung durch Eigentumsumschreibung auf ihn als Alleineigentümer beantragt. Er hat dazu die notariell beglaubigte Kopie der Eröffnungsniederschrift des AG samt ebenfalls notariell beglaubigter Ablichtungen folgender eröffneter Verfügungen vorgelegt:

a) Gemeinschaftliches notarielles Testament vom 23.11.1973,

b) eigenhändiges Einzeltestament vom 13.3.2001.

Im ersteren setzen sich die Eheleute gegenseitig zu alleinigen Erben ein mit der Maßgabe, dass die Ehefrau nach ihrem Ehemann nur - befreite - Vorerbin, hingegen der Ehemann nach der Ehefrau alleiniger und unbeschränkter Erbe ist.

Im eigenhändigen Testament der Erblasserin ist verfügt:

Hiermit setze ich meine Kinder

C. H. und K. M. F.

als Erben für mein Privatvermögen ein:

Bargeld,... Eigentumswohnungen in M. und B. sowie unser Einfamilienhaus ... Das... Haus wird unter der Auflage vererbt,...

Dieses Testament betrifft ausschließlich meinen Besitz. Die weiter gehenden Bestimmungen des gemeinsamen ehelichen Testamentes werden meinem Ehemann zur Entscheidung überlassen.

Das Grundbuchamt hat die Akten des auswärtigen Nachlassgerichts eingesehen. Die Rechtspflegerin ist der Meinung, es könnten zwischenzeitlich ihr unbekannte Umstände eingetreten sein, aufgrund derer die Wechselbezüglichkeit des notariellen Testaments aufgehoben worden sei, so dass das handschriftliche Testament die Erbfolge festlege. Dem hat der Antragsteller widersprochen und darauf hingewiesen, dass die Wechselbezüglichkeit aus dem notariellen Testament unzweifelhaft ersichtlich sei und sich daraus die Unwirksamkeit der privatschriftlichen Verfügung ergebe. Zudem hätten andere mit der Berichtigung nach dem Erbfall befasste Grundbuchämter ohne Beanstandung die erbetene Eintragung vorgenommen.

Mit Zwischenverfügung vom 16.8.2016 hat das Grundbuchamt schließlich fristsetzend aufgegeben, den zum Erbennachweis aus seiner Sicht notwendigen Erbschein vorzulegen, weil Umstände eingetreten sein könnten, die die Wechselbezüglichkeit nachträglich hätten wegfallen lassen und die die unbeschränkte Testierfähigkeit der Erblasserin wiederhergestellt hätten.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des notariell vertretenen Beteiligten vom 30.8.2016, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat. Der Beteiligte beruft sich darauf, dass die in keiner Weise begründete und an irgendwelche Indizien oder Anhaltspunkte geknüpfte allgemeine abstrakte "Sorge" des Grundbuchamts, gleichwohl könne es etwas geben, was zum Wegfall der Wechselbezüglichkeit der Anordnungen aus dem notariellen Testament geführt haben könnte, nicht geeignet sei, die beantragte Grundbuchberichtigung zu verweigern. Bestehe kein Anlass zu Zweifeln an der durch die notarielle Urkunde begründeten Erbfolge, müsse das Grundbuchamt diese als gegeben unterstellen. Insbesondere dürfe ein in den Nachlassakten befindliches späteres, wegen Verstoßes gegen die angeordnete Wechselbezüglichkeit unwirksames Testament dem dann nicht entgegenstehen.

Zudem hätten sämtliche in Betracht kommenden Erbinnen und Erben einschließlich der Personen, die ansonsten durch das unwirksame privatschriftliche Testament begünstigt worden wären, zu notariellem Protokoll sinngemäß erklärt, dass sie von der Wirksamkeit des gemeinschaftlichen öffentlichen Testaments und damit von der Unwirksamkeit der späteren einseitigen Verfügung ausgingen. Das schließe mit ein, dass es jedenfalls nach deren Kenntnis wie nach Kenntnis des Beschwerdeführers keine sonstigen letztwilligen Verfügungen, Maßnahmen oder Erklärungen der Erblasserin gegeben habe, aufgrund derer das einseitige Testament vielleicht doch wirksam sein könnte.

Der Senat hat die einschlägigen Nachlassakten des auswärtigen AG beigezogen.

II. Die Beschwerde des notariell vertretenen Beteiligten gegen die nach § 18 Abs. 1 GBO ergangene Zwischenverfügung des Grundbuchamts, welche zur Grundbuchberichtigung nach § 22 GBO fristsetzend die Vorlage eines Erbscheins aufgibt, ist statthaft (§ 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO), auch im Übrigen zulässig (§ 73 GBO; § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 FamFG) und begründet.

1. Liegt neben der Eröffnungsniedersc...

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