Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwirkung des auf eine Behörde übergegangnenen Unterhaltsanspruchs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Verwirkung von Unterhaltsansprüchen kommt dann in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre (so genanntes Zeitmoment), und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (so genanntes Umstandsmoment).

2. Für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen ist das Zeitmoment regelmäßig bereits für Zeitabschnitte, die bei Untätigkeit des Unterhaltsgläubigers mehr als ein Jahr vor dem erneuten Tätigwerden zurückliegen, zu bejahen. Dies gilt auch dann, wenn die aus übergegangenem Recht klagende Behörde tätig wird.

3. Eine Rechtswahrungsanzeige der Behörde, auf die der Unterhaltsanspruch übergegangen ist, reicht allein nicht aus, um dem Umstandsmoment der Verwirkung dauerhaft begegnen zu können.

 

Normenkette

FamFG § 58 Abs. 1, § 63 Abs. 1, § 64 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, § 113 Abs. 1; ZPO § 97 Abs. 1; FamGKG § 51 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

AG München (Beschluss vom 07.10.2016; Aktenzeichen 518 F 153/16)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Teilbeschluss des AG München vom 07.10.2016 wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.667 EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Zur Sachverhaltsdarstellung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des angefochtenen Teilbeschlusses Bezug genommen.

Ergänzend wird folgendes ausgeführt:

Das AG München hat den Antrag des Antragstellers vom 07.01.2016 in Ziffer I in Höhe eines Teilbetrages von 7.667,00 EUR (Unterhalt für den Zeitraum August 2013 mit Juni 2014) zurückgewiesen. Das AG ist der Auffassung, dass der Unterhaltsanspruch für diesen Zeitraum verwirkt ist.

Gegen diesen Teilbeschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde und bringt vor, Verwirkung sei nicht eingetreten.

Der Senat hat mit Hinweisbeschluss vom 30.01.2017 darauf hingewiesen, dass er von Verwirkung ausgehe und die Beschwerde daher keine Erfolgsaussicht habe.

Der Antragsteller hält an seiner Beschwerde fest.

II. Die zulässige (§§ 58 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 FamFG) Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet.

Das AG München hat für den Zeitraum von August 2013 mit Juni 2014 zu Recht Verwirkung angenommen.

Eine Verwirkung von Unterhaltsansprüchen kommt dann in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Für die Annahme einer Verwirkung müssen das so genannte Zeitmoment und das so genannte Umstands-moment verwirklicht sein (BGH FamRZ2010, 1888). Für das Zeitmoment ist darauf hinzuweisen, dass von einem Unterhaltsgläubiger, der auf laufende Unterhaltszahlungen angewiesen ist, eher als von einem Gläubiger anderer Forderungen erwartet werden muss, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung des Anspruchs bemüht. Das Zeitmoment ist daher regelmäßig bereits für Zeitabschnitte, die bei Untätigkeit des Unterhaltsgläubigers mehr als ein Jahr vor dem erneuten Tätigwerden zurückliegen, zu bejahen (BGH a.a.O.; Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl., § 6 Rn. 143). Dieselben Anforderungen gelten, wenn die aus übergegangenem Recht klagende Behörde tätig wird. Zwar ist diese nicht wie ein Unterhaltsgläubiger lebensnotwendig auf die Realisierung der Forderungen angewiesen. Jedoch ist die Behörde aufgrund der Natur, des Inhalts und des Umfangs des Unterhaltsanspruchs, der sich durch den Übergang nicht verändert, gehalten, sich um dessen zeitnahe Durchsetzung zu bemühen (BGH a.a.O.).

10Für das Umstandsmoment kommt es nicht auf konkrete Vertrauensinvestitionen des Schuldners bzw. auf das Entstehen besonderer Nachteile durch die späte Inanspruchnahme an (BGH a.a.O.; Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 6 Rn. 144). Eine Rechtswahrungsanzeige der Behörde, auf die der Unterhaltsanspruch übergegangen ist, reicht allein nicht aus, um dem Umstandsmoment der Verwirkung dauerhaft begegnen zu können (OLG Brandenburg NJW-RR 2016, 1224).

11Danach ist vorliegend für den Zeitraum von August 2013 mit Juni 2014 von Verwirkung auszugehen.

12In der Zeit von September 2013 bis Mai 2014 standen Antragsteller und Antragsgegner in regelmäßigem schriftlichem Kontakt in Form von Auskunftsverlangen über die Einkommensverhältnisse des Antragsgegners und Geltendmachung bezifferter Unterhaltsansprüche. Mit Schreiben vom 27.03.2014 hat der Antragsteller erstmals eine bezifferte Unterhaltsforderung von monatlich 851,00 EUR geltend gemacht. Hierauf hat der Antragsg...

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