Leitsatz (amtlich)

Die Rechtswahrungsanzeige bzw. die Übergangsmitteilung des Leistungsträgers reicht allein nicht aus, um dem Umstandsmoment der Verwirkung dauerhaft begegnen zu können. Es trifft zwar zu, dass die Rechtswahrungsanzeige Rechtsfolgen wie eine Mahnung herbeiführt und eine der Mahnung vergleichbare Warnfunktion hat. Doch ebenso wie vor längerer Zeit angemahnter Unterhalt nach § 242 BGB verwirken kann, gilt dies auch für Unterhalt, der durch Rechtswahrungsanzeige auf einen Leistungsträger übergegangen ist.

 

Normenkette

BGB § 242

 

Tenor

In der Familiensache Land N.,./. B. beabsichtigt der Senat, die Beschwerde ohne erneute mündliche Verhandlung zurückzuweisen, §§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG.

 

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers ist ohne Durchführung einer erneuten mündlichen Verhandlung zurückzuweisen, da sie offensichtlich unbegründet ist. Die vom AG im Hinblick auf die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs geäußerte Ansicht entspricht der Rechtsauffassung sowohl des Senats als auch des Bundesgerichtshofs (BGH).

Hinsichtlich der Verwirkung, also der Frage, ob sich die Geltendmachung rückständigen Unterhalts unter dem Gesichtspunkt illoyal verspäteter Rechtsausübung nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB als unzulässig darstellt, bedarf es des Zeit- und des Umstandsmoments (vgl. Wendl/Gerhardt, Unterhaltsrecht, 9. Aufl., § 6 Rn. 142 ff.). Beim Unterhalt sind an das Zeitmoment keine großen Anforderungen zu stellen. Das Zeitmoment kann bereits für Zeitabschnitte, die mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit der Klage oder einem erneuten Tätigwerden liegen, bejaht werden (BGH, FamRZ 1988, 370, 372 f.; FamRZ 2007, 453 ff., Rn. 22). Da ein Unterhaltsanspruch nicht verwirkt sein kann, bevor er überhaupt fällig geworden ist, müssen gegebenenfalls die in Frage kommenden Zeitabschnitte gesondert betrachtet werden (BGH, FamRZ 1988, 370).

Neben dem Zeitmoment kommt es für die Verwirkung auf das Umstandsmoment an, d.h., es müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund deren sich der Unterhaltsverpflichtete nach Treu und Glauben darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass der Unterhaltsberechtigte seine Recht nicht mehr geltend machen werde (BGH, FamRZ 1988, 370, 373). Da von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen angewiesen ist, eher als von einem Gläubiger anderer Forderungen zu erwarten ist, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung des Anspruchs bemüht (vgl. BGH, a.a.O.), darf der Unterhaltsschuldner, wenn das Verhalten des Unterhaltsgläubigers den Eindruck erweckte, in dem fraglichen Zeitraum nicht bedürftig zu sein, davon ausgehen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Soweit es beim Umstandsmoment auch darauf ankommt, inwieweit sich der Unterhaltsverpflichtete tatsächlich darauf eingerichtet hat, Unterhalt für die zurückliegende Zeit nicht mehr zahlen zu müssen, reicht die Feststellung aus, dass ein Unterhaltsverpflichteter erfahrungsgemäß seine Lebensführung an die ihm zur Verfügung stehenden Einkünfte anpasst, so dass er bei unerwarteten Unterhaltsnachforderungen nicht auf Ersparnisse zurückgreifen kann und da-durch regelmäßig in Bedrängnis gerät (BGH, a.a.O.; Senat, NJW-RR 2002, 870). Sind Anhaltspunkte dafür, dass es im zu entscheidenden Fall anders lag, nicht ersichtlich, so bedarf es keiner besonderen Feststellungen dazu, dass der Unterhaltsschuldner sich tatsächlich auf den Fortfall der Unterhaltsforderungen eingerichtet hat (BGH, a.a.O.; Senat, a.a.O.). Der Verpflichtete trägt die Beweislast für die Voraussetzungen der Verwirkung. Der Gläubiger ist aber darlegungspflichtig dafür, wann und wie er den Anspruch geltend gemacht hat (Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 242 Rn. 96).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der gemäß § 37 BAföG auf den Antragsteller übergegangene Unterhaltsanspruch für die Monate Oktober bis Dezember 2011 verwirkt.

Das Zeitmoment ist ohne weiteres erfüllt. Zwischen der Übergangsmitteilung vom 24.2.2012 und der Aufforderung zur Zahlung vom 12.11.2014 liegen mehr als zweieinhalb Jahre, so dass die erforderliche Zeitspanne von mehr als einem Jahr verstrichen ist. Der insoweit darlegungspflichtige Antragsteller hat ein weiteres Tätigwerden, durch das dem Antragsgegner der Wille, den Unterhaltsanspruch tatsächlich durchzusetzen, noch einmal hätte vor Augen geführt werden können, nicht dargelegt.

Auch das Umstandsmoment ist nach den genannten Voraussetzungen erfüllt. Der Antragsgegner durfte sich im Hinblick auf die lange Untätigkeit des Antragstellers darauf einrichten, für den genannten Zeitraum nicht mehr auf Unterhalt in Anspruch genommen zu werden.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers reicht die Rechtswahrungsanzeige bzw. die Übergangsmitteilung nicht aus, um dem Umstandsmoment der Verwirkung dauerhaft begegnen zu können. Es trifft zwar zu, dass die Rechtswahrungsanzeige Rechtsfolgen wie eine Mahnung herbeiführt und eine der Mahnung vergleichbare Warnfunktion hat (OLG Köln, FamRZ 2003, 471; Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 6...

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