Leitsatz (amtlich)

1. Unwirksamkeit einer späteren Verfügung von Todes wegen, weil sie das Recht eines in einem früheren Erbvertrag vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würde.

2. Fällt der in einem Ehegatten-Erbvertrag als Schlusserbe eingesetzte Abkömmling infolge Zuwendungsverzichts weg, so ist bei der Auslegung des Erbvertrags die Möglichkeit einer stillschweigenden Ersatzberufung der Abkömmlinge dieses Abkömmlings in Erwägung zu ziehen.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2069, 2278, 2289 Abs. 1, § 2352

 

Verfahrensgang

LG Regensburg (Beschluss vom 02.02.2005; Aktenzeichen 5 T 5/05)

AG Kelheim (Beschluss vom 08.12.2004; Aktenzeichen VI 117/04)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3) werden der Beschluss des LG Regensburg vom 2.2.2005 insgesamt und der Beschluss des AG Kelheim vom 8.12.2004 in Ziff. 1 aufgehoben.

II. Das AG - Nachlassgericht - Kelheim wird angewiesen, den am 11.3.2005 zugunsten der Beteiligten zu 1) und 2) erteilten Erbschein einzuziehen und der Beteiligten zu 1) einen Erbschein zu erteilen, der sie als Alleinerbin ausweist.

III. Im Übrigen wird die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3) zurückgewiesen.

IV. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 200.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der im Alter von 88 Jahren am 1.2.2004 verstorbene Erblasser war verwitwet; seine Ehefrau ist am 9.11.1990 vorverstorben. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor: die zwei Söhne J.S. und G.S., die beide kinderlos sind, sowie zwei Töchter, von denen eine als Baby vorverstorben ist, und die Tochter C.S., deren beide Kinder die Beteiligten zu 1) und 2) sind. Die Beteiligte zu 3) ist eine Bekannte des Erblassers, die ihn versorgt und gepflegt hat.

Der Erblasser schloss mit seiner Ehefrau einen ersten notariellen Erbvertrag am 29.12.1954, in dem sich die Eheleute einseitig unwiderruflich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt haben. Am 10.2.1988 schloss der Erblasser mit seiner Ehefrau einen zweiten Erbvertrag (im Folgenden: Erbvertrag 1988), in dem unter Ziff. 1 festgehalten wird, dass die in dem ersten Erbvertrag erfolgte gegenseitige Erbeinsetzung zu Alleinerben aufrechterhalten bleibt. Ferner wurde in Ziff. II dieses Erbvertrages die Tochter C.S. als befreite Vorerbin und deren Tochter S.S., die Beteiligte zu 2), als Nacherbin eingesetzt. Der Nacherbfall sollte mit dem Tod des Vorerben eintreten. Ferner wurde festgehalten, dass der gemeinsame Sohn G.S. bereits eine dem Wert seines Pflichtteils entsprechende Immobilie erhalten hat, und dass der Sohn J.S. auf seinen Pflichtteil verzichtet habe. Ihm wurde zusätzlich unter Angabe von Gründen der Pflichtteil entzogen. Ziff. V dieses Erbvertrages hat folgenden Wortlaut:

"Jeder von uns ist berechtigt, durch einseitige Verfügung von Todes wegen abweichend letztwillig zu verfügen, jedoch nur zugunsten unserer Abkömmlinge (Kinder und Enkel). Dritte dürfen nicht bedacht werden."

Am 29.8.2002 schloss der Erblasser mit der Tochter C.S. in einem zwischen ihnen über die Rückgabe eines vom Erblasser der Tochter überlassenen Grundstücks geführten Rechtsstreit einen gerichtlichen Vergleich, dem die Beteiligte zu 2) beitrat. In diesem Vergleich verzichteten die Tochter C.S. und die Beteiligte zu 2) unwiderruflich auf sämtliche ihnen zustehenden Rechte aus dem Erbvertrag vom 10.2.1988; ferner verpflichtete sich C.S., Zug um Zug gegen Zahlung von 60.000 EUR, das überlassene Grundstück an den Erblasser zurückzuübertragen.

Am 9.9.2002 schloss der Erblasser mit der Beteiligten zu 3) einen Erbvertrag (im Folgenden: Erbvertrag 2002), in dem er die Beteiligte zu 3) als Alleinerbin eingesetzt hat. Die Beteiligte zu 3) versprach als Gegenleistung Wart und Pflege des Erblassers.

Dem Sohn J.S. und der Tochter C.S. wurden in diesem Vertrag der Pflichtteil entzogen und darauf hingewiesen, dass der Sohn G.S. seinen Pflichtteil bereits erhalten habe.

Sowohl die Beteiligte zu 3) als auch die Beteiligte zu 1) haben Erbscheinsanträge gestellt: die Beteiligte zu 3) auf Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbin, die Beteiligte zu 1) auf Erteilung eines Erbscheins, der sie und die Beteiligte zu 2) zu Miterben zu gleichen Teilen, hilfsweise: der sie als Alleinerbin ausweist. Die Beteiligten zu 1) und 2) berufen sich auf gesetzliche Erbfolge; sie halten die Erbeinsetzung im Erbvertrag 2002 wegen Verstoßes gegen Ziff. V des Erbvertrags 1988 für nichtig. Die Beteiligte zu 3) ist der Auffassung, dass die Bindungswirkung des Änderungsvorbehalts im Erbvertrag 1988 durch Zuwendungsverzicht entfallen sei und daher die Alleinerbeinsetzung im Erbvertrag 2002 die Rechte eines vertragsmäßig Bedachten nicht beeinträchtige.

Das AG - Nachlassgericht - hat mit Beschl. v. 8.12.2004 den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 3) zurückgewiesen und festgestellt, dass der Erblasser von den Beteiligten zu 1) und 2) je zu ½ beerbt worden ist. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 3) gegen Ziff. V des Erbvertrages 1988 verstößt und daher unwirksam ist. Die ...

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