Leitsatz (amtlich)

1. Die Nichtzulassung der sofortigen weiteren Beschwerde durch das LG ist unanfechtbar.

2. Es bleibt offen, ob nach der ZPO-Reform eine an sich unanfechtbare Entscheidung ausnahmsweise mit einer außerordentlichen Beschwerde wegen sog. greifbarer Gesetzwidrigkeit angefochten werden kann.

 

Normenkette

FGG §§ 19, 27; PAG Art. 18 Abs. 2 S. 4

 

Verfahrensgang

LG Passau (Beschluss vom 23.03.2006; Aktenzeichen 2 T 40/06)

AG Passau (Aktenzeichen Gs 816/05)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des LG Passau vom 23.3.2006 wird verworfen.

 

Gründe

I. Der Betroffene wurde im Zusammenhang mit dem öffentlichen Zeigen von Transparenten, die zum Abzug von US-amerikanischen Soldaten in Deutschland aufriefen, am 7.5.2005 zwischen 9.20 Uhr und 12.00 Uhr von der Polizei in Gewahrsam genommen.

Nach seiner Entlassung aus dem Gewahrsam hat der Betroffene am 31.5.2005 beim AG beantragt, die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung festzustellen. Das AG hat mit Beschl. v. 7.2.2006 den Antrag abgewiesen. Hiergegen hat der Betroffene sofortige Beschwerde eingelegt, die das LG am 23.3.2006 zurückgewiesen hat. Die sofortige weitere Beschwerde gegen seine Entscheidung hat das LG nicht zugelassen. Der Betroffene hat mit eigenhändigem Schreiben vom 12.5.2006 gegen die Nichtzulassung der sofortigen weiteren Beschwerde "Widerspruch" eingelegt.

II. Das Rechtsmittel ist ohne Sachprüfung zu verwerfen.

1. Die Entscheidung des LG ist auf sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen einen Beschluss des AG ergangen, der nach Beendigung der Freiheitsentziehung getroffen wurde (vgl. Art. 18 Abs. 2 PAG). In diesem Fall ist gegen die Entscheidung des LG die sofortige weitere Beschwerde nur statthaft, wenn das LG sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt (Art. 18 Abs. 2 S. 4 PAG). Das LG hat die Zulassung des Rechtsmittels ausdrücklich verneint. Die Entscheidung über die Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde ist nach dem Willen des Gesetzgebers ausschließlich dem LG übertragen und sowohl der Anfechtung durch die Beteiligten als auch der Nachprüfung und Abänderung durch das Rechtsbeschwerdegericht entzogen (BGH FamRZ 1990, 1228; v. 18.3.1992 - XII ZR 142/91, FamRZ 1992, 1063; BayObLGZ 1980, 286 [288]; BayObLG, Beschl. v. 26.2.1998 - 3Z BR 242/97; v. 31.3.1994 - 3Z BR 91/94, beide jeweils zu Art. 18 Abs. 2 S. 4 PAG).

Hat das LG aber die sofortige weitere Beschwerde nicht zugelassen, ist jegliche Nachprüfung der Vorentscheidung grundsätzlich unzulässig, weil dem Rechtsbeschwerdegericht hierzu die Eigenschaft als gesetzlicher Richter fehlt.

2. Auch als außerordentliche Beschwerde ist das Rechtsmittel nicht statthaft.

Die frühere Rechtsprechung hat anerkannt, dass eine nach den geltenden Rechtsmittelvorschriften an sich nicht anfechtbare Entscheidung ausnahmsweise gleichwohl angefochten werden kann, wenn es gilt, "krasses Unrecht" zu beseitigen, wobei jedoch nicht schon jeder eindeutige und schwerwiegende Verstoß des Gerichts gegen Vorschriften des formellen oder materiellen Rechts genügt. Vielmehr muss die Entscheidung mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar sein, d.h. jeder gesetzlichen Grundlage entbehren. Eine "greifbare Gesetzwidrigkeit" wurde demgemäß angenommen, wenn eine Entscheidung dieser Art, dieses Inhalts, von dieser Stelle oder aufgrund eines derartigen Verfahrens gesetzlich überhaupt nicht vorgesehen ist oder wenn die Entscheidung auf einer Gesetzesauslegung beruht, die dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes offensichtlich widerspricht und eine Gesetzesanwendung zur Folge hat, die durch das Gesetz ersichtlich ausgeschlossen werden sollte (BGH v. 8.10.1992 - VII ZB 3/92, BGHZ 119, 372 = MDR 1993, 80; BayObLG, Beschl. v. 26.2.1998 - 3Z BR 242/97, m.w.N.; ferner Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 567 Rz. 7 ff.).

Davon kann hier keine Rede sein. Es kann deshalb auch dahinstehen, ob nach der nunmehr gegebenen Rechtslage durch die ZPO-Reform die außerordentliche Beschwerde durch die Gegenvorstellung in entsprechender Anwendung von § 321a ZPO, § 29a FGG abgelöst ist.

3. Überdies unterliegt das Rechtsmittel zum OLG der Form des § 29 FGG, die durch das eigenhändig verfasste und unterzeichnete Schreiben des Betroffenen nicht gewahrt wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1531213

OLGR-Süd 2006, 767

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