Leitsatz (amtlich)

Zur Beiordnung und Auswahl eines Rechtsanwalts im Verfahren nach dem Therapieunterbringungsgesetz.

 

Normenkette

ThUG § 7 Abs. 1; ZPO § 78c

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Aktenzeichen 42 AR 27/11 ThUG)

 

Tenor

I. Die Nichtabhilfe- und Vorlageverfügung des LG Kempten (Allgäu) vom 4.3.2011 wird aufgehoben.

II. Die Akten werden dem LG Kempten (Allgäu) zur Entscheidung über die Anträge des Betroffenen auf Aufhebung der Beiordnung von Rechtsanwalt K.-D. M. und Beiordnung von Rechtsanwältin Dr. Ch. St. zurückgegeben.

 

Gründe

I. Das Landratsamt betreibt gegen den Betroffenen ein Verfahren nach dem Therapieunterbringungsgesetz (ThUG). Auf dessen Antrag vom 7.1.2011, den Betroffenen gem. § 1 Abs. 1 ThUG in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen, hat der Kammervorsitzende mit Verfügung vom 11.1.2011 Termin zur Anhörung vor der Kammer bestimmt und dem Betroffenen zugleich den im Bezirk des LG ansässigen Rechtsanwalt M. gem. § 7 Abs. 1 ThUG, § 78c Abs. 1 ZPO beigeordnet.

Mit Schriftsatz vom 3.2.2011 zeigte die nicht im Bezirk dieses LG niedergelassene Rechtsanwältin Dr. St. unter Vollmachtsvorlage die Vertretung des Betroffenen an und beantragte ihre Beiordnung anstelle der des Rechtsanwalts M. Begründet wird dies mit einem langjährigen Vertrauensverhältnis. Sie habe den Betroffenen seit 2002 in sämtlichen Strafvollstreckungsangelegenheiten als Pflichtverteidigerin vertreten. Auch aktuell vertrete sie ihn in zwei Verfahren.

Das LG hat den Antrag vom 3.2.2011 als sofortige Beschwerde gegen die Beiordnungsentscheidung des Vorsitzenden vom 11.1.2011 ausgelegt, mit Kammerbeschluss vom 4.3.2011 nicht abgeholfen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Beiordnung von Rechtsanwältin Dr. St. sei nicht möglich. Auch wenn die Beiordnung nach dem ergänzenden Antrag vom 11.2.2011 nunmehr unter den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwaltes stattfinden solle, könne wegen des klaren Gesetzeswortlautes nur ein im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt beigeordnet werden. Ob die Auswahl eines dort nicht niedergelassenen Rechtsanwaltes lediglich anfechtbar oder sogar unwirksam sei, könne letztlich offen bleiben, weil die Beiordnung eines nicht beim Prozessgericht niedergelassenen Rechtsanwaltes jedenfalls nicht rechtmäßig sei. Daran ändere auch nichts, dass der Betroffene zu seiner Verfahrensbevollmächtigten ein besonderes Vertrauensverhältnis entwickelt habe.

Das Gesetz könne auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass eine Beiordnung zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwaltes in Betracht käme. Denn § 7 ThUG verweise weder auf die Beiordnungsvorschriften des Strafverfahrens noch auf diejenigen über das Prozesskostenhilfeverfahren der ZPO. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber in Kenntnis dieser Vorschriften ausdrücklich auf § 78c Abs. 1 ZPO verwiesen habe, zeige, dass eine darüber hinausgehende Beiordnungsmöglichkeit offensichtlich nicht beabsichtigt gewesen sei.

II. Das LG hat den Antrag vom 3.2.2011 als sofortige Beschwerde gegen die Beiordnungsverfügung des Vorsitzenden vom 11.1.2011 ausgelegt (§ 78c Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Das erscheint nicht zutreffend, weil der bestimmende Antrag nach dem erkennbaren Willen seiner rechtskundigen Urheberin ersichtlich darauf abzielt, die ursprüngliche Beiordnung abzuändern. Dieses ist für das Prozessgericht grundsätzlich jederzeit möglich, auch auf Antrag der Partei (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 78c Rz. 5; OLG Nürnberg MDR 2003, 712; ferner BGH NJW-RR 1992, 189). Zwar wäre eine sofortige Beschwerde der Partei gegen die Auswahl auch mit dem Ziel denkbar, ihr einen anderen Anwalt beizuordnen, etwa wenn bei der Auswahl ein Wunsch unberücksichtigt blieb oder sonst das Ermessen nicht sachgerecht ausgeübt wurde (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 78c Rz. 6). Um derartiges geht es jedoch nicht, weil die Beiordnungsentscheidung zu einem Zeitpunkt getroffen wurde, zu dem der Betroffene - s. § 7 Abs. 2 Satz 2 ThUG, § 48 Abs. 1 Nr. 3 BRAO, § 138 FamFG - noch nicht angehört worden war und demnach auch keine Möglichkeit hatte, seine Wünsche zur Person des Rechtsanwalts zu äußern. Ersichtlich geht es ihm vielmehr um eine vom erkennenden Richter zu treffende neue Entscheidung über die Person des beizuordnenden Anwalts.

Selbst wenn man - wie nicht - den Beschluss des LG vom 4.3.2011 als Ablehnung des Antrags auf Abänderung der Entscheidung vom 11.1.2011 verstehen wollte, so fehlt es in diesem Fall an einem dagegen gerichteten Rechtsmittel, über das der Senat entscheiden könnte.

Die Sache wird deshalb unter Aufhebung der Entscheidung über die Nichtabhilfe und der Vorlageverfügung vom 4.3.2011 an das LG zurückgegeben.

III. In der Sache unverbindlich merkt der Senat noch an:

Nach § 7 Abs. 1 ThUG ist dem Betroffenen zur Wahrnehmung seiner Rechte (u.a.) im Verfahren ein Rechtsanwalt beizuordnen. Für das Beiordnungsverfahren gilt § 78c Abs. 1 und 3 ZPO entsprechend. Nach der Gesetzesbegründung soll sichergestellt werden, dass der Betroff...

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