Tenor

1. Die Beschwerden des Angeklagten V. und seiner Verteidiger gegen die Sicherungsverfügung der Vorsitzenden der 1. Jugendkammer des Landgerichts München II vom 22.06.2021, abgeändert durch Verfügung vom 03.05.2022, werden als unbegründet verworfen.

2. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

 

Gründe

I.

1. Die Vorsitzende der 1. Jugendkammer des Landgerichts München II hat am 22.06.2021 für die am 23.08.2021 im Sitzungssaal in der S.straße 10 in M. beginnende Hauptverhandlung eine Sicherungsverfügung erlassen, in der unter Ziffer III. besondere Regelungen zur Vermeidung von Infektionen mit dem Erreger SARS-CoV-2 enthalten sind.

Unter Ziffer III.1. wird ausgeführt, dass nach dem aktuellen Hygieneplan (Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin M. vom 31.08.2020 bzw. 02.03.2021) im Zuschauerbereich des Sitzungssaals insgesamt 23 Sitzplätze für die Saalöffentlichkeit zur Verfügung stünden, von denen 11 Sitzplätze für Journalisten reserviert seien. Weiter enthält die Verfügung den Hinweis, dass ausschließlich die als solche gekennzeichneten Sitzplätze benutzt werden dürften. Die dazwischenliegenden Plätze hätten zur Einhaltung des Sicherheitsabstandes von 1,5 m frei zu bleiben; ihre Benutzung sei untersagt.

In Ziffer III.2. wird im Zuhörerbereich des Sitzungssaals wie auch im Sicherheitsbereich um den Sitzungssaal für das Sicherheitspersonal sowie für alle Zuhörer und Pressevertreter das stetige Tragen eines medizinischen Mund-Nasen-Schutzes (Maske der Schutzklasse FFP 2/KN 95 ohne Ausatemventil oder vergleichbar) vor Beginn, während und nach Ende der Sitzung angeordnet.

Ziffer II.3. regelt für alle Verfahrensbeteiligten (Gericht, Protokollführer, Staatsanwaltschaft, Nebenkläger, Nebenklägervertreter, Sachverständige, Verteidiger und Angeklagte) das Tragen eines medizinischen Mund-Nasen-Schutzes, und zwar entweder das Tragen einer OP-Maske oder einer Maske der Schutzklasse FFP 2/KN 95 ohne Ausatemventil, im Sitzungssaal. Ausgenommen von dieser Pflicht sind diejenigen Verfahrensbeteiligten, denen während der Hauptverhandlung das Wort zu mündlichen Ausführungen erteilt ist.

Weiter behält sich die Vorsitzende vor, im Einzelfall unter bestimmten näher dargelegten Umständen die Maskentragungspflicht für einzelne Verfahrensabschnitte und/oder einzelne Verfahrensbeteiligte aufzuheben. Zudem wird geregelt, dass Zeugen und Sachverständige ihre Zeugenaussage/Gutachtenserstattung ohne Mund-Nasen-Bedeckung abzugeben hätten.

Mit Verfügung vom 03.05.2022 hat die Vorsitzende der 1. Jugendkammer des Landgerichts München II die Verpflichtung zur stetigen Maskentragungspflicht für das Sicherungspersonal, die Zuhörer und Pressevertreter in Ziffer III.2. der Sicherungsverfügung vom 22.06.2021 dahingehend modifiziert, dass nunmehr auch für sie und damit nunmehr für alle im Sitzungssaal anwesenden Personen das Tragen einer medizinischen Maske im Sinne einer sogenannten OP-Maske ausreichend sei.

2. Mit ihrer im eigenen Namen und im Namen des Angeklagten V. am 03.05.2022 eingelegten Beschwerde wenden sich die Verteidiger des Angeklagten V., Rechtsanwalt Dr. A. B., Rechtsanwalt Dr. A. S. und Rechtsanwältin S. St. gegen die Sicherungsverfügung der Vorsitzenden vom 22.06.2021 sowie mit Schriftsatz vom 04.05.2022 auch gegen die mit Verfügung vom 03.05.2022 modifizierte Regelung.

Ergänzender Vortrag der Beschwerdeführer erfolgte in den Schriftsätzen vom 05.05.2022, 06.05.2022 und 12.05.2022.

Die Beschwerdeführer tragen im wesentlichen vor, die Sicherungsverfügung sei angesichts der seit ihrem Erlass stark gewandelten Pandemie- und Rechtslage spätestens seit dem Inkrafttreten des geänderten Infektionsschutzgesetzes am 20.03.2022 mit der Sach- und Rechtslage gänzlich unvereinbar und grob rechtswidrig.

Die eingriffsintensiven Maßnahmen seien spätestens seitdem evident unverhältnismäßig. In tatsächlicher Hinsicht hätten sich die äußeren Voraussetzungen drastisch verändert. Es seien nahezu sämtliche Maßnahmen zum Schutz vor der Corona-Pandemie aufgehoben worden. In Bayern gebe es keinen einzigen Corona-Hotspot. Der M. Oberbürgermeister habe bekannt gegeben, dass das Oktoberfest in diesem Jahr ohne jede Einschränkung stattfinden könne. Der Pandemiebeauftragte des Klinikums R. habe sich in der S. Zeitung vom 24.04.2022 mit der Aussage zitieren lassen, dass die Gefahr an COVID-19 zu sterben, inzwischen geringer sei als an der Virusgrippe.

Soweit die Vorsitzende mit ihrer Verfügung vom 03.05.2022 alle Personen im Sitzungssaal zum Tragen einer Maske verpflichte, sei dies rechtswidrig. Die Anordnung verstoße gegen § 176 Abs. 2 GVG, der es an der Verhandlung beteiligten Personen verbiete, ihr Gesicht ganz oder teilweise zu verhüllen. Ein Verbot der Gesichtsverhüllung für Richter, ehrenamtliche Richter und Staatsanwälte in Ausübung ihres Dienstes ergebe sich zusätzlich aus Art. 2 Abs. 1, Art. 11 Abs. 2 Satz 3, Art. 15 Satz 3 BayRiStAG i.V.m. Art. 75 BayBG.

Verteidiger seien von sitzungspolizeilichen Maßnahmen nicht erfasst und könnten d...

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