Entscheidungsstichwort (Thema)

Örtliche Zuständigkeit des Gerichts am Sitz der Gesellschaft bei Ersatzanspruch gerichtet auf Wiederauffüllung der Masse

 

Leitsatz (amtlich)

Der auf Wiederauffüllung der Masse gerichtete Ersatzanspruch eigener Art nach § 64 GmbHG gegen den ehemaligen Geschäftsführer ist am Sitz der Gesellschaft zu erfüllen, da Gläubiger des Anspruchs nach dem Gesetz nicht die Insolvenzgläubiger sind, sondern ausdrücklich die mit dem Geschäftsführer durch den Anstellungsvertrag in vertraglichen Beziehungen stehende Gesellschaft.

 

Normenkette

GmbHG § 43 Abs. 2, § 64 S. 1; ZPO § 29 Abs. 1, § 36 Abs. 1 Nr. 6, §§ 37, 39 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Beschluss vom 13.09.2017; Aktenzeichen 41 O 2763/17)

 

Tenor

1. Zuständig ist das Landgericht Landshut.

2. Dessen Beschluss vom 13.9.2017 wird aufgehoben.

 

Gründe

I. Mit seiner am 9.2.2017 zum Landgericht Landshut (Az. zuletzt: 41 O 2763/17) erhobenen Klage macht der Kläger als Insolvenzverwalter der in Landshut ansässigen L. GmbH gegen den im Bezirk des Landgerichts München I wohnhaften Beklagten als ehemaligen Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin Ersatzansprüche wegen pflichtwidrig veranlasster Zahlungen nach Eintritt von Insolvenzreife geltend.

In der mündlichen Verhandlung vom 30.5.2017 wies der Einzelrichter nach Einführung in den Sach- und Streitstand u.a. darauf hin, dass angesichts des Wohnortes des Beklagten das Landgericht München II zuständig sein dürfte. Daraufhin beantragte der Kläger Verweisung dorthin. Der Beklagte gab im Termin hierzu keine Erklärung ab. Sachanträge wurden nicht gestellt. Das Gericht bestimmte Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf 8.6.2017, der mit Verfügung vom 30.5.2017 auf 22.6.2017 verlegt wurde. Mit Schriftsatz vom 19.6.2017 nahm der Beklagte zu Hinweis und Verweisungsantrag dahingehend Stellung, dass nach seiner Auffassung das Landgericht Landshut gem. § 29 ZPO örtlich zuständig sei. Dieser Schriftsatz ging am 20.6.2017 per Fax bei Gericht ein und wurde ausweislich der Verfahrensakte nicht an den Kläger hinausgegeben.

Mit Beschluss vom 22.6.2017 hat sich das Landgericht Landshut für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht München II verwiesen mit der Begründung, bei Klagen nach § 64 GmbHG sei der Wohnsitz des Geschäftsführers maßgeblich.

Das Landgericht München II hat die Übernahme mit den Parteien bekanntgegebenem Beschluss vom 7.7.2017 abgelehnt mit dem Hinweis, der Wohnsitz des Beklagten befinde sich nicht im Bezirk des Landgerichts München II, sondern im Bezirk des Landgerichts München I. Daraufhin hat das Landgericht Landshut das Verfahren wieder übernommen und auf Antrag des Klägers vom 1.8.2017 mit Beschluss vom 13.9.2017 den Rechtsstreit an das Landgericht München I verwiesen. Zur Begründung ist auf den Beschluss vom 22.6.2017 verwiesen.

Das Landgericht München I (Az.: 41 O 13551/17) hat mit Beschluss vom 19.10.2017 eine Verfahrensübernahme abgelehnt. Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Landshut entfalte wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs und Willkür keine Bindungswirkung. Der Beklagte sei zum zweiten Verweisungsantrag nicht gehört worden. Die Beschlussbegründung beziehe sich auf nicht existente Fundstellen.

Mit Beschluss 10.1.2018, eingegangen beim Oberlandesgericht München am 22.1.2018, hat das Landgericht Landshut das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem Oberlandesgericht München vorgelegt (Az.: 34 AR 11/18).

II. Die Voraussetzungen für die (örtliche) Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 37 ZPO durch das zuständige Oberlandesgericht München, zu dessen Bezirk beide Gerichte gehören, sind gegeben (vgl. nur Zöller/Schultzky ZPO 32. Aufl. § 36 Rn. 34 m. w. N.). Es liegen beiderseitige den Parteien bekanntgegebene Entscheidungen vor, zum einen in Form eines grundsätzlich bindenden Verweisungsbeschlusses nach § 281 ZPO, zum anderen in Form einer ersichtlich abschließenden Verweigerung der Übernahme. Die damit verbundene jeweilige Leugnung der eigenen Kompetenz erfüllt das Tatbestandsmerkmal "rechtskräftig" in § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (siehe nur BGHZ 102, 338/340 m. w. N.; BGH NJW-RR 2013, 764).

Örtlich zuständig ist das Landgericht Landshut. An die von diesem Gericht ausgesprochene Verweisung ist das Landgericht München I ausnahmsweise nicht gebunden.

1. Der Gesetzgeber hat in § 281 Abs. 2 Sätze 2 und 4 ZPO die grundsätzliche Unanfechtbarkeit von Verweisungsbeschlüssen und deren Bindungswirkung angeordnet. Dies hat der Senat im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten. Um langwierige Zuständigkeitsstreitigkeiten unter Gerichten auszuschließen, wird es hingenommen, dass auch unrichtige oder verfahrensfehlerhaft ergangene Beschlüsse grundsätzlich binden und demnach selbst ein sachlich zu Unrecht ergangener Verweisungsbeschluss regelmäßig der Nachprüfung entzogen ist (siehe Zöller/ Schultzky § 36 Rn. 38 m. w. N.). Nur ausnahmsweise tritt die Bindungswirkung dann nicht ein, wenn die Verweisung jeder Rechtsgrundlage entbehrt, weil sie auf einer ...

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