Leitsatz (amtlich)

1. Ein Beschwerdeverfahren nach Erteilung eines Erbscheins kann nicht mit der Zielsetzung der Einziehung dieses Erbscheins angestrengt werden, wenn der Beschluss, der die Erteilung des Erbscheins bewilligt hat, bereits in formelle Rechtskraft erwachsen ist.

2. Die Einziehung des Erbscheins stellt insofern einen neuen Verfahrensgegenstand dar, über den zunächst das Nachlassgericht zu entscheiden hat. Funktionell zuständig für die Entscheidung über die Einziehung des Erbscheins ist dann nicht der Rechtspfleger, sondern der Richter (im Anschluss an OLG München Beschluss v. 13.9.2016 - 31 Wx 99/16).

 

Normenkette

BGB § 2361; FamFG §§ 26, 68, 352e Abs. 3; RpflG § 16 Abs. 1 Nr. 7; RiVBetrAufh (Bayern) § 1a Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Weilheim (Beschluss vom 07.03.2017)

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird die Sache unter Aufhebung des Vorlagebeschlusses des AG Weilheim i.OB. - Nachlassgericht - vom 7.3.2017 an das Nachlassgericht zur Entscheidung durch den zuständigen Nachlassrichter zurückgegeben.

 

Gründe

I. Der Vorlagebeschluss des Nachlassgerichts war schon deshalb aufzuheben, weil statt des Richters die Rechtspflegerin im Rahmen der Abhilfeentscheidung in der Sache entschieden hat.

1. Die von dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 3.3.2017 eingelegte Beschwerde gegen den "Beschluss des AG vom 12.5.2015" ist gemäß § 63 Abs. 1 FamFG verfristet.

a) Der Beschwerdeführer beantragt in Ziffer 1 seiner Beschwerde den "Beschluss des AG vom 12.5.2015, Geschäftszeichen VI 000218/15" aufzuheben. Ein Beschluss mit einem solchen Datum wurde vom Nachlassgericht nicht erlassen. Es liegt jedoch eine Verfügung des Nachlassgerichts vom 12.5.2015 vor, mit der es die Übersendung der Kopien des Testaments des Erblassers vom 1.1.2009 sowie der Niederschrift der Eröffnung des Testaments verfügt hat. Darin hat die Beteiligte zu 1 die Erteilung eines Alleinerbscheins beantragt. Daraufhin setzte das Nachlassgericht in dem Schreiben vom 12.5.2015 eine Frist zur Äußerung mit Fristende am 26.5.2015. Der beantragte Erbschein wurde vom Nachlassgericht mit Beschluss vom 10.6.2015 bewilligt, der dem Beschwerdeführer, der keine Einwände gegen die Erteilung des Erbscheins erhoben hat, nicht bekanntgemacht wurde. Aus der Sicht des Beschwerdeführers erfolgte die Erteilung des Erbscheins aufgrund des Schreibens des Nachlassgerichts vom 12.5.2015. Demgemäß ist die Beschwerde des Beschwerdeführers dahingehend auszulegen, dass er sich gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts wendet, aufgrund der der beantragte Erbschein erlassen wurde. Dies ist der Beschluss vom 10.6.2015.

b) Die Beschwerdefrist im Sinne des § 63 Abs. 1 FamFG beginnt gemäß § 63 Abs. 3 FamFG mit schriftlicher Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten. Diese hat grundsätzlich nach § 15 Abs. 2 FamFG zu erfolgen, also durch Zustellung nach den §§ 166 bis 195 ZPO oder sie ist dadurch zu bewirken, dass das Schriftstück unter der Anschrift des Adressaten zur Post gegeben wird. Dabei müssen an einen die Bekanntgabe an die Beteiligten beurkundenden Aktenvermerk wegen der mit § 15 Abs. 2 S. 2 FamFG verbundenen Zugangsfiktion strenge Anforderungen gestellt werden. Jedenfalls muss dieser ergeben, an welchem Tag und unter welcher Anschrift das Schriftstück zur Post gegeben wurde (vgl. OLG München NJW-RR 2012, 523). Sofern der anfechtbare Beschluss dem erklärten Willen eines der Beteiligten nicht entspricht, ist der Beschluss gemäß § 41 Abs. 1 S. 2 FamFG diesem zuzustellen. Insofern stellt § 41 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 352 Abs. 2 S. 1 FamFG a.F. (jetzt: § 352e Abs. 2 S. 1 FamFG) eine Sonderregelung zu § 15 Abs. 2 FamFG dar. Wird das Verfahren hingegen nicht streitig geführt, so bedarf es nach § 352 Abs. 1 S. 3 FamFG a.F. (= § 352e Abs. 1 S. 4 FamFG n.F.) keiner Bekanntgabe (vgl. auch BT-Drs 16/6308 S. 281 zu § 352 Abs. 1 "... und Satz 3, dass, abweichend von § 41 Abs. 1, der Beschluss keiner Bekanntgabe bedarf.")

Ausweislich der Verfügung des Nachlassgerichts vom 10.6.2015 ist auch keine Bekanntgabe des Bewilligungsbeschlusses an den Beschwerdeführer erfolgt. Die Verfügung beschränkt sich auf die Übersendung der Erbscheinsausfertigung an die Beteiligte zu 1.

b) Das Unterlassen der Bekanntgabe des Bewilligungsbeschlusses setzt dennoch die Beschwerdefrist im Sinne des § 63 Abs. 3 S. 2 FamFG in Lauf. Maßgeblich für den Lauf dieser Frist (Fristbeginn mit Ablauf von fünf Monaten nach Beschlusserlass) ist lediglich der Umstand, dass die schriftliche Bekanntgabe des wirksam erlassenen Beschlusses an den bereits förmlich beteiligten Rechtsmittelführer unterblieben ist. Warum die Bekanntgabe nicht erfolgt ist, ist ohne Belang (BGH NJW 2015, 839). Demgemäß begann die einmonatige Rechtsmittelfrist im Sinne des § 63 Abs. 1 FamFG für den Beschwerdeführer, der mit Verfügung des Nachlassgerichts

vom 12.5.2015 förmlich an dem Erbscheinsverfahren beteiligt wurde, fünf Monate nach wirksamem Erlass des Beschlusses. Dieser erfolgte gemäß § 38 Abs. 3 S. 3 FamFG mit Übergabe der Entscheidung an die Geschäftsstell...

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