Leitsatz (amtlich)

1. Eine Verweisung vom Streitgericht an das Familiengericht, die fälschlich auf § 281 ZPO statt auf § 17a GVG gestützt ist, hat keinen Bestand.

2. Zur Prüfung der Rechtswegzuständigkeit und der örtlichen Zuständigkeit im isolierten Prozesskostenhilfeverfahren.

 

Normenkette

GVG § 17a; ZPO §§ 36, 114, 281

 

Verfahrensgang

LG Passau (Beschluss vom 02.05.2010)

 

Tenor

I. Der Verweisungsbeschluss des LG Passau vom 2.5.2010 wird aufgehoben.

II. Die Akten werden dem LG Passau zurückgegeben.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin hat beim LG Passau Antrag auf Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage gegen den Antragsgegner gestellt, den sie als ihren Verlobten bezeichnet. Der Antragsgegner wohnt im Bezirk des AG Regensburg. Er bestreitet, mit der Antragstellerin verlobt zu sein. Beide Parteien halten das Streitgericht und nicht das Familiengericht für zuständig, wobei der Antragsgegner in örtlicher Hinsicht das LG Regensburg für zuständig hält. Das LG Passau hat das PKH-Verfahren auf hilfsweise gestellten Verweisungsantrag der Antragstellerin nach § 281 ZPO an das AG - Familiengericht - Regensburg verwiesen. Dieses Gericht lehnte die Übernahme ab und leitete die Akten zurück. Das LG Passau legte die Akten zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor.

II. Zuständig zur Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist das OLG München, da das zuerst mit der Sache befasste LG Passau zu seinem Bezirk gehört (§ 36 Abs. 2 ZPO). Eine Bestimmung unterbleibt jedoch, da das LG Passau im falschen Verfahren nach § 281 ZPO über die wie eine Rechtswegfrage zu behandelnde Frage der Zuständigkeit des Familiengerichts in Abgrenzung zur Zuständigkeit des Spruchkörpers für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten (Streitgericht) entschieden hat. Es hätte jedoch allenfalls im Verfahren nach § 17a GVG an das Familiengericht verweisen dürfen (wenn man das im Rahmen eines PKH-Verfahrens für zulässig hält, vgl. unten) oder eine Verweisung nach § 281 ZPO nur hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit - dann aber an das LG Regensburg und nicht an das Familiengericht des AG - aussprechen dürfen. Der Verweisungsbeschluss des LG Passau kann deshalb keinen Bestand haben. Zur Klarstellung hebt der Senat den Verweisungsbeschluss auf. Die Akten werden dem LG Passau zur nochmaligen Prüfung und neuer Entscheidung zurückgegeben.

1. Nach § 17a Abs. 6 GVG gilt das in § 17a geregelte besondere Verfahren zur Entscheidung über den Rechtsweg entsprechend für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper untereinander. Die durch das FGG-Reformgesetz mit Wirkung ab 1.9.2009 eingeführte Vorschrift gilt (nach näherer Maßgabe der Übergangsvorschrift in Art. 111 FGG-RG) für nach dem 31.8.2009 eingeleitete Verfahren und ist hier anwendbar. Danach muss ein angegangenes LG, wenn es den Rechtsweg zum Familiengericht für eröffnet hält, einen Unzuständigkeits- und Verweisungsbeschluss nach § 17a Abs. 2 GVG erlassen. Dieser unterliegt - anders als der Verweisungsbeschluss nach § 281 ZPO - der Anfechtung mit der sofortigen Beschwerde (§ 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i.V.m. § 567 ZPO). So besteht für die Parteien die Möglichkeit, die Rechtswegfrage vorab im Rechtsmittelweg überprüfen und verbindlich klären zu lassen, wobei die Klärung auch durch fruchtlosen Ablauf der Beschwerdefrist eintreten kann. Der nicht angefochtene oder gegebenenfalls im Rechtsmittelweg überprüfte und bestätigte Verweisungsbeschluss ist sodann für das Empfangsgericht hinsichtlich des Rechtswegs bindend (§ 17a Abs. 2 Satz 3 GVG). Für eine Vorlage an das übergeordnete Gericht entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist in aller Regel kein Raum mehr (vgl. BGH NJW-RR 2010, 209). Der Konfliktlösungsmechanismus des § 17a GVG unterscheidet sich insoweit grundlegend von demjenigen nach §§ 281, 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Aus diesem Grund kommt auch eine nachträgliche Umdeutung des auf § 281 ZPO gestützten Verweisungsbeschlusses in einen solchen nach § 17a GVG nicht in Betracht. Denn den Parteien darf die Möglichkeit der Beschwerde gegen die Rechtswegverweisung nicht genommen werden.

2. Allerdings soll nach verbreiteter Meinung im isolierten PKH-Verfahren eine Verweisung in einen anderen Rechtsweg nach § 17a GVG ausgeschlossen sein (vgl. OLG Karlsruhe MDR 2007, 1390; Zöller/Lückemann ZPO, 28. Aufl. Vor §§ 17 -17b GVG Rz. 12; Musielak/Wittschier ZPO, 7. Aufl., § 17 GVG Rz. 3 je m.w.N. auch zur Gegenauffassung). Ob dem zu folgen ist, erscheint zweifelhaft (so wohl auch BGH NJW-RR 2010, 209). Allein schon der Gesichtspunkt der Sachnähe und Vertrautheit des Gerichts des richtigen Rechtswegs mit der jeweils betroffenen Materie spricht eher dafür, zunächst den Rechtsweg zu klären und sodann das Gericht des richtigen Rechtswegs über die hinreichenden Erfolgsaussichten und fehlende Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung (vgl. § 114 ZPO, § 76 FamFG) entscheiden zu lassen. Das kann hier jedoch dahinstehen und bedar...

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