Entscheidungsstichwort (Thema)

Treuebonus III

 

Leitsatz (amtlich)

Besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gläubiger sein Interesse an der Verfolgung der bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses erfolgten Verstöße gegen einen Unterlassungstitel verloren hat, und hat er hinsichtlich dieser Verstöße bereits rechtskräftige Ordnungsgeldbeschlüsse erstritten, ist in der Regel davon auszugehen, dass eine Erledigterklärung nur für die Zukunft gelten und einen bereits erwirkten Unterlassungstitel als Grundlage für die Vollstreckung wegen zurückliegender Zuwiderhandlungen nicht in Frage stellen soll.

 

Normenkette

ZPO §§ 91a, 775 Nr. 1, §§ 776, 793

 

Verfahrensgang

LG München (Beschluss vom 22.05.2014; Aktenzeichen 1 HK O 20716/07)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 20.01.2016; Aktenzeichen I ZB 102/14)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des LG München I vom 22.05.2014 wird zurückgewiesen.

2. Die Schuldnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten der Nebenintervenientin zu tragen.

3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 600.000,-- EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Schuldnerin begehrt die Aufhebung von vier rechtskräftigen Ordnungsgeldbeschlüssen, die bereits vollständig vollstreckt sind. Die bezahlten Ordnungsgelder belaufen sich auf insgesamt 600.000,00 EUR.

Gegen die Schuldnerin erging am 10.6.2008 ein Endurteil, demgemäß ihr wegen Verstoßes gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften verboten wurde, mit bestimmten Rabatten zu werben. Das Urteil des LG München I vom 10.6.2008 wurde durch Urteil des Senats vom 02.07.2009 (Az. 29 U 3744/08) bestätigt. Im Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof (Az. I ZR 119/09) erklärten die Parteien den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2013 übereinstimmend für erledigt. Ausweislich des Protokolls dieser mündlichen Verhandlung (Anlage StV 2) erklärte der dortige Vertreter der Beklagten und hiesigen Schuldnerin,

"dass die Beklagte sich nach der Klärung der Streitfrage durch den Gesetzgeber, ob ihre Versandhandelstätigkeit in Deutschland unter die deutschen Preisbindungsvorschriften für Arzneimittel fällt, selbstverständlich an das deutsche Gesetz hält."

Das Protokoll enthält sodann folgende Feststellungen:

"Der Kläger-Vertreter erklärt den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

Vorgelesen und genehmigt

Der Beklagten-Vertreter stimmt der Erledigungserklärung zu."

Am 26.02.2014 erließ der Bundesgerichtshof Beschluss gemäß § 91a ZPO über die Kosten dahingehend, dass die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe (Anlage StV 1). Die Entscheidung wird damit begründet, dass das Rechtsmittel der Beklagten (hiesigen Schuldnerin) im Streitfall keinen Erfolg gehabt hätte. Die Wiederholungsgefahr sei dadurch weggefallen, dass die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung erklärt hat, dass sie sich nach der Klärung der Streitfrage durch den Gesetzgeber, ob ihre Versandhandelstätigkeit in Deutschland unter die deutschen Preisbindungsvorschriften fällt, selbstverständlich an das deutsche Gesetz halten würde.

In einem Verfahren der hiesigen Schuldnerin gegen den Vorsitzenden der hiesigen Gläubigerin vor dem OLG Bamberg hat die hiesige Schuldnerin mit Schriftsatz vom 11.10.2013 wie folgt ausgeführt (Anlage AG 1):

"Darüber hinaus ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die Verfügungsklägerin in den im streitgegenständlichen Vergleichsvorschlag als "laufendes Verfahren" bezeichneten Verfahren in der mündlichen Verhandlung vor dem BGH am 09.10.2013 erklärt hat, dass man sich zukünftig an die deutsche Rechtslage halten und keine weiteren Rezept-Boni mehr gewähren werde. Daraufhin haben die Parteien die Verfahren I ZR 119/09 und I ZR 120/09 übereinstimmend für erledigt erklärt. Da auch die "laufenden Verfahren" insoweit rechtskräftig ex nunc beendet sind, wäre es der Verfügungsklägerin, auch wenn der entsprechende Vortrag der Verfügungsbeklagten zutreffen sollte, nicht mehr möglich, gezahlte Ordnungsgelder wieder von der Staatskasse herauszuverlangen."

Die Schuldnerin meint, dass die Erledigungserklärungen vor dem BGH am 09.10.2013 uneingeschränkt erfolgt seien und damit mit Wirkung "ex tunc". Die abgegebenen Erledigungserklärungen seien nicht dahingehend einschränkend auszulegen, dass die Wirkung nur "ex nunc" zu gelten habe. Im gesamten Revisionsverfahren sei nicht über die Ordnungsmittelanträge gesprochen worden. Die Beklagte (hiesige Schuldnerin) habe ein offensichtliches Interesse an einer uneingeschränkten Erledigungserklärung gehabt, da nur durch diese die titulierten Ordnungsmittel wegfallen würden. Wenn eine Erklärung nur mit Wirkung für die Zukunft abgegeben worden wäre, dann wäre der "vergangene" Teil des Unterlassungsanspruchs weiterhin anhängig geblieben und es hätte vom BGH durch Urteil entschieden werden müssen.

Die Gläubigerin verkündete mit Schriftsatz vom 17.02.2014 der Ba. ..., durch die sie in dem Verfahren vor dem BGH vertreten wurde, den Strei...

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