Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenübernahme für Präimplantationsdiagnostik (PID) nicht vom Versicherungsschutz umfasst

 

Leitsatz (amtlich)

Private Krankenversicherung: Zur Frage der Erstattung von Kosten für eine Präimplantationsdiagnostik (PID) bei Vorliegen einer schweren Erbkrankheit.

 

Normenkette

ESchG § 3a Abs. 1-3

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 13.06.2018; Aktenzeichen 26 O 12775/17)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 13.06.2018, Az. 26 O 12775/17, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

 

Gründe

Das Landgericht hat die Klage zu Recht deswegen teilweise abgewiesen, da die Übernahme der Kosten einer Präimplantatationsdiagnostik (PID) nicht vom Versicherungsschutz der beklagten privaten Krankenversicherung umfasst ist. Die PID stellt auch unter Berücksichtigung der Einwendungen der Klägerin in der Berufungsbegründung keine medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen im Sinne von Ziffer 1.1.1 (1) Teil A Baustein Krankheitskosten-Versicherung, § 192 Abs. 1 VVG dar; sie ist auch keine medizinisch anerkannte Methode zur Überwindung von Sterilität oder Infertilität gemäß Ziffer 2.2.4 (1) Abs. 3 Teil A Baustein Krankheitskosten-Versicherung. Der Erholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es insoweit nicht. Auch hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, soweit die zugesprochene Kostenerstattung für eine IVF-Behandlung betroffen ist, hat die Berufung keine Aussicht auf Erfolg.

1. Unter Präimplantationsdiagnostik versteht man die genetische Untersuchung von Zellen eines nach künstlicher Befruchtung gezeugten Embryos in vitro vor seiner Übertragung in die Gebärmutter. Dem Embryo werden zu diesem Zweck einzelne Zellen entnommen, die auf das Vorliegen bestimmter - zumeist schwerwiegender - Erbkrankheiten untersucht werden. Auf diese Weise erlangt man Gewissheit darüber, ob für das Kind eine Erbkrankheit zu erwarten ist oder nicht (Kahlert in Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, 3. Aufl., § 3a ESchG Rn. 4). Die PID ist gemäß § 3a Abs. 1 ESchG grundsätzlich strafbewehrt verboten, lediglich in bestimmten, in § 3a Abs. 2 ESchG ausdrücklich genannten Fällen und unter Beachtung bestimmter verfahrensrechtlicher Anforderungen (§ 3a Abs. 3 ESchG) erlaubt, insbesondere wenn aufgrund der genetischen Disposition eines oder beider Elternteile das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit der Nachkommen besteht. Die PID, die genetisch stark vorbelasteten Eltern die Möglichkeit geben soll, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen (vgl. Gesetzesbegründung des Präimplantationsdiagnostikgesetzes, BT-Drs. 17/5451, Seite 7), enthält damit auch ein Element der Selektion: Der Reproduktionsmediziner erzeugt einen menschlichen Embryo und untersucht ihn, um ihn im Falle eines pathologischen Befundes im Einvernehmen mit den Eltern zu verwerfen (Lipp in Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, VIII. Fortpflanzungs- und Genmedizin; Kaiser in Günther/Kaiser/Taupitz, Embryonenschutzgesetz, Einl. A Rn. 197 ff.).

Bei der Klägerin liegt (neben einem stark ausgeprägten PCO-Syndrom) eine durch Mutation in einer der beiden Kopien des IFITM5-Gen verursachte, autosomal-dominant vererbliche Osteogenosis Imperfecta Typ V (sog. Glasknochenkrankheit) vor, eine schwerwiegende Erkrankung; die Wahrscheinlichkeit, dass auch ihre Nachkommen eine entsprechend veränderte Genkopie aufweisen, liegt bei 50% (vgl. Anlage K 7). Da in ihrem Fall ein hohes Risiko besteht, dass auch ihre Nachkommen an der Glasknochenkrankheit erkranken, und daher die Ethikkommission die für die Durchführung einer PID erforderliche Zustimmung erteilt hat (Anlage K 9), steht das grundsätzliche Verbot der PID gemäß § 3a Abs. 1 ESchG dem Versicherungsschutz nicht entgegen.

2. Versicherungsfall in der privaten Krankenversicherung ist gemäß § 192 VVG wie nach den vorliegend vereinbarten Versicherungsbedingungen die medizinische notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Was den Versicherungsfall ausmacht, wird zum einen durch die Bezeichnung eines die Behandlung auslösenden Ereignisses oder Zustandes (Krankheit oder Unfallfolgen) ausgefüllt, zum anderen dadurch festgelegt, dass es sich bei der Behandlung um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung handeln muss (BGH MDR 2010, 1322, Rn. 10 bei juris). Krankheit in diesem Sinne ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ein objektiv nach ärztlichem Urteil bestehender ...

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