Leitsatz (amtlich)

Wurde der abhanden gekommene Grundschuldbrief in einem von einem Gläubigerprätendenten betriebenen Aufgebotsverfahren für kraftlos erklärt, so kann sich der noch im Grundbuch eingetragene Gläubiger zum Nachweis seiner Bewilligungsbefugnis nicht unter Bezugnahme auf den in den Akten des AG befindlichen Ausschließungsbeschluss auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs berufen; die mit dem Ausschließungsbeschluss verbundene Legitimationswirkung kommt ihm nicht zugute.

 

Normenkette

BGB § 891 Abs. 1, § 1116 Abs. 1, §§ 1162, 1192 Abs. 1; FamFG §§ 439, 479 Abs. 1; GBO § 41 Abs. 2 S. 2, § 42 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Kempten (Beschluss vom 18.02.2016)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des AG Kempten (Allgäu) - Grundbuchamt - vom 18.2.2016 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 153.387 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligte ist als Eigentümerin von Grundbesitz im Grundbuch eingetragen. Sie begehrt die Löschung der in der dritten Abteilung unter lfd. Nr. 2 für den Voreigentümer Peter O. eingetragenen Briefgrundschuld über 300.000 DM (umgerechnet 153.387,56 EUR).

Peter O. hatte zu Urkunde vom 25.7.1994 den Grundbesitz an den Ehemann der Beteiligten verkauft und aufgelassen. In der Verkaufsurkunde teilte er mit, er habe die zu seinen Gunsten seit 25.11.1993 aufgrund Bewilligung vom 8.11.1993 eingetragene Grundschuld mit notarieller Urkunde vom 28.11.1993 an die T. Handelsgesellschaft mbH abgetreten.

Vor Vollzug der Eigentumsumschreibung übertrug der Ehemann der Beteiligten, bezugnehmend auf das zu Urkunde vom 6.2.2007 unterbreitete und am 27.4.2010 notariell angenommene Kaufangebot, mit Auflassung vom 19.8.2015 den Grundbesitz auf die Beteiligte weiter, die laut Kaufvertrag (§ 3) die Belastung übernahm. Der notarielle Antrag vom 20.8.2015 auf Eintragung der Auflassung, verbunden mit der Erklärung, dass die Löschung der in Abt. III/2 eingetragenen und vom Käufer übernommenen Belastung nicht erfolgen solle, wurde am 15.10.2015 vollzogen.

Am 4.11.2015 reichte der Urkundsnotar die am 8.7.2013 unterschriftsbeglaubigte Löschungsbewilligung des Peter O. vom 28.3.2013 für die Grundschuld und den unterschriftsbeglaubigten Löschungsantrag des für die Beteiligte auftretenden Notariatsangestellten Reiner P. zum Vollzug ein. Er nahm Bezug auf die Akte des beim selben AG auf Antrag einer Gläubigerprätendentin, der Helmut H. GmbH, durchgeführten Aufgebotsverfahrens, in dem mit rechtskräftigem Ausschließungsbeschluss vom 19.6.2012 der über das Recht ausgestellte Grundschuldbrief vom 25.11.1993 für kraftlos erklärt worden ist.

Gemäß § 8 Ziff. 1 des Kaufvertrags hatte die Beteiligte dem Notariatsangestellten Reiner P. Durchführungsvollmacht erteilt, für sie alle Erklärungen abzugeben, die zur Durchführung und Ergänzung dieses Vertrages noch notwendig oder zweckmäßig sein sollten, sowie alle erforderlichen Anträge zu stellen, zu ändern oder zurückzunehmen ... Die Vollmacht erlischt mit der vertragsgemäßen Eigentumsumschreibung.

In der Annahmerklärung vom 27.4.2010 bevollmächtigte die Beteiligte zunächst zwei Notariatsangestellten - nicht Reiner P. - dahingehend, für mich alle Erklärungen abzugeben ... sowie Rechtshandlungen vorzunehmen, die nach ihrem freien Ermessen zur Durchführung des Kaufvertrages nach dessen Zustandekommen und meiner Weisung erforderlich und zweckmäßig sind.

Zu Urkunde vom 9.12.2014 erstreckten die Beteiligte und ihr Ehemann die Bevollmächtigung auf Reiner P. und erklärten:

Sämtliche in den ... Urkunden erteilten Vollmachten werden ohne Einschränkung a) Herrn Reiner P. erteilt. Wir bevollmächtigen die vorgenannten Bevollmächtigten für uns insbesondere alle Erklärungen abzugeben, die zur Änderung, Ergänzung und Durchführung des mit den vorgenannten Urkunden geschlossenen Vertrages noch notwendig oder zweckmäßig sind. Sie dürfen Löschungen jeder Art bewilligen und beantragen ... Sie dürfen alle Anträge zum Grundbuchamt stellen, ändern oder zurücknehmen ... Jeder Bevollmächtigte ist für sich allein legitimiert.

Den Löschungsantrag hat das Grundbuchamt mit Beschluss vom 18.2.2016 zurückgewiesen. Aus einem vorangegangenen - erfolglosen - Verfahren wegen Neuerteilung eines Grundschuldbriefs und den dort eingereichten Unterlagen sei bekannt, dass der damalige Gläubiger (Peter O.) die Grundschuld abgetreten habe. Einerseits könne zwar die Helmut H. GmbH ihr Gläubigerrecht nicht mit öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunden nachweisen. Andererseits aber sei die gesetzliche Vermutung, dass dem Eingetragenen das Recht zustehe, widerlegt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der anwaltlich vertretenen Beteiligten. Sie beruft sich auf die gesetzliche Vermutung der Rechtsinhaberschaft des Eingetragenen. Diese sei nicht widerlegt, denn dem Grundbuchamt seien keine Tatsachen bekannt oder nachgewiesen worden, aus denen sich mit Sicherheit die Unrichtigkeit des Eintrags ergebe. Das Grundbuchamt habe nicht hinreichend den Umstand gewürdigt, dass keine öf...

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