Leitsatz (amtlich)

Ein Zwischenurteil über die Leistung von Prozesskostensicherheit steht einer Ermäßigung der gerichtlichen Verfahrensgebühren gem. KVGKG Nr. 1202 a.F./Nr. 1211 n.F. nicht entgegen.

 

Normenkette

KVGKG Nr. 1211 n.F.; KVGKG Nr. 1202 a.F.

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 23 O 195/01)

 

Tenor

I. Der Beschluss des LG München I vom 9.7.2002 wird aufgehoben.

II. Die Kostenrechnung ist entspr. den Gründen dieses Beschlusses zu ändern.

 

Gründe

I. Die Klägerin meint, sie schulde nur eine Verfahrensgebühr, nachdem sie vor der mündlichen Verhandlung die Klage zurückgenommen habe. Dass zuvor ein Zwischenurteil ergangen ist, mit dem sie zur Leistung von Prozesskostensicherheit verurteilt wurde, stehe nicht entgegen.

II. Die Beschwerde ist begründet. Die Voraussetzungen des hier einschlägigen KVGKG 1202a a.F. sind gegeben. Es steht auch nicht entgegen, dass ein Zwischenurteil über die Prozesskostensicherheit ergangen ist.

Zwar verlangt KVGKG 1202 a.F. für die Ermäßigung von drei Verfahrensgebühren auf eine Verfahrensgebühr, dass vorher nicht bereits ein Urteil vorausgegangen ist.

Nach Auffassung des Senats ist ein Zwischenurteil über Prozessicherheit kein Urteil i.S.v. KVGKG 1202 a.F. Das ergibt sich aus der Gesamtkonstruktion dieser Bestimmung. Sie nimmt alle Fälle von der Ermäßigung aus, in denen sich das Gericht mit dem Streitstoff auseinander setzen muss. Aus diesem Grunde werden Erledigungserklärungen nach § 91a ZPO nicht privilegiert. Die Motive (Drucks. 12,6962, 70) führen hierzu aus, dass einer Ermäßigung entgegensteht, dass Entscheidungen nach § 91a ZPO erheblichen richterlichen Arbeitsaufwand auslösen, weil sie eine weitgehende Auseinandersetzung mit dem Streitstoff, insb. mit den Erfolgsaussichten der Prozessparteien, mit sich bringen. An gleicher Stelle wird ausgeführt, dass ein Versäumnisurteil nach § 831 Abs. 3 ZPO nicht mehr gebührenrechtlich begünstigt werden soll, weil ein Versäumnisurteil eine Schlüssigkeitsprüfung voraussetzt, weshalb sich das Gericht in den Prozessstoff einarbeiten muss.

Der Begriff des Urteils i.S.v. KVGKG 1202 a.F. ist vor diesem Hintergrund auszulegen. Bei einem Zwischenurteil zur Prozesssicherheit muss sich das Gericht überhaupt nicht mit dem Streitstoff und den Prozessaussichten befassen. Es genügt eine Prüfung der Voraussetzung des § 110 ZPO und eine überschlägige Errechnung der voraussichtlichen Kosten. Es ist deshalb kein Urteil i.S.d. KVGKG 1202 a.F.

Dieser Auslegung steht nicht der Grundsatz entgegen, dass Ausnahmevorschriften eng auszulegen seien. Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein solcher Grundsatz ohnehin fragwürdig. Jedenfalls steht er bei sog. Ausnahmevorschriften einer Auslegung nicht entgegen, die sich am Sinn der Ausnahmevorschrift orientiert (vgl. OLG München AnwBl 1998, 286).

Dementsprechend hat der Senat wiederholt eine Ermäßigung gem. KVGKG 1202 a.F. auch in solchen Fällen angenommen, in denen die Voraussetzungen dieser Bestimmung nach dem Wortlaut nicht erfüllt waren, der Sinn dieser Vorschrift aber deren Anwendung erforderlich gemacht hat. So hat der Senat einen Fall des KVGKG 1202c angenommen, wenn die Parteien aufgrund eines außergerichtlichen Vergleichs die Hauptsache für erledigt erklärt und keine Kostenanträge gestellt haben (OLG München AnwBl 1998, 286) bzw. wenn die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben und anschließend einen Vergleich über die Kosten geschlossen haben (OLG München v. 27.9.1995 – 11 W 2055/95, OLGReport München 1996, 84 = MDR 1996, 209).

Aus den vorgenannten Gründen folgt der Senat nicht der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf v. 9.3.1999 – 10 W 19/99, OLGReport Düsseldorf 1999, 232 = MDR 1999, 764), das eine Ermäßigung im Fall eines Zwischenurteils über die Prozesskostensicherheit ablehnt. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das OLG Düsseldorf seine Entscheidung auch darauf stützt, dass KVGKG 1202 auch dann nicht vorliege, wenn einem Prozessvergleich eine Teilentscheidung in Form eines Anerkenntnis- oder Verzichturteils vorausgegangen ist, dessen Erlass mit keinerlei sachlich rechtlicher Prüfung verbunden sei. Auch insoweit ist dem OLG Düsseldorf nicht zu folgen. Ergeht zunächst ein Teilanerkenntnisurteil und wird dann das gesamte Verfahren durch Abschluss eines Vergleiches beendet, so sind die Verfahrensgebühren auf eine Gebühr zu ermäßigen. Dies ergibt sich bereits aus KVGKG 1202 S. 4. Die Ermäßigung tritt auch ein, wenn mehrere Ermäßigungstatbestände zusammenkommen.

III. Einer Kostenentscheidung bedarf es im Hinblick auf § 5 Abs. 6 GKG nicht.

VorsRiOLG RiOLG RiOLG

 

Fundstellen

Haufe-Index 1108161

FamRZ 2003, 1765

JurBüro 2003, 320

MDR 2003, 115

IPRspr. 2002, 218

OLGR-MBN 2003, 111

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