Leitsatz (amtlich)

1. Die Frist für die Anfechtung der Rücknahme eines in amtliche Verwahrung gegebenen Testaments beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte zuverlässige Kenntnis von dem behaupteten Anfechtungsgrund, das heißt allen das in Anspruch genommene Anfechtungsrecht begründenden Tatsachen, erlangt hat.

2. Der Verzicht auf ein Anfechtungsrecht durch formlose Bestätigung setzt außer dem Bestehen des Anfechtungsrechts voraus, dass der Bestätigende die Anfechtbarkeit kannte oder mit ihr rechnete.

 

Normenkette

BGB §§ 143-144, 2078 Abs. 2, §§ 2081-2082, 2247 Abs. 1, §§ 2256, 2361 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Aschaffenburg (Beschluss vom 04.02.2005; Aktenzeichen 5 T 155/03)

AG Aschaffenburg (Aktenzeichen VI 0253/01)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des LG Aschaffenburg vom 4.2.2005 wird zurückgewiesen.

II. Der Beteiligte zu 1) hat die den Beteiligten zu 2) und 3) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 172.768 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die verwitwete Erblasserin ist am 17.11.2000 im Alter von 87 Jahren verstorben. Der Beteiligte zu 1) ist ihr Sohn, die Beteiligten zu 2) und 3) sind die Kinder ihres vorverstorbenen anderen Sohnes. Weitere Kinder hatte sie nicht.

Die Erblasserin hat am 3.9.1992 ein notarielles Testament errichtet, in dem sie den Beteiligten zu 1) als alleinigen Erben eingesetzt sowie mit einem Vermächtnis zugunsten ihrer Stiefschwester beschwert hat und in dem sie ferner angeordnet hat, dass die Beteiligten zu 2) und 3) sich auf ihren Pflichtteil Schenkungen anrechnen lassen müssen, die die Erblasserin ihrem vorverstorbenen Sohn gemacht hat. Dieses Testament wurde am 7.9.1992 in amtliche Verwahrung genommen und am 10.2.1998 an die Erblasserin unter Belehrung über die Folgen der Rückgabe antragsgemäß zurückgegeben.

Am 1.4.1998 errichtete die Erblasserin ein Testament, das von dem Beteiligten zu 1) handschriftlich aufgesetzt und von ihr unterschrieben wurde. Darin setzte die Erblasserin den Beteiligten zu 1) als alleinigen Erben ein; auch die übrigen Verfügungen dieses Testaments entsprechen - mit unwesentlichen Änderungen - dem Inhalt des notariellen Testaments vom 3.9.1992. Anfang November 2000 wurde entsprechend diesem handschriftlichen Testament ein notarieller Testamentsentwurf gefertigt, der nicht mehr beurkundet worden ist.

In einem Schreiben vom 2.7.2001 an das Nachlassgericht schilderte der Beteiligte zu 1) den Vorgang der Testamentserrichtung vom 1.4.1998 und die Absicht der Erblasserin, einen entsprechend gefertigten notariellen Testamentsentwurf beurkunden zu lassen.

Ein vom Beteiligten zu 1) am 9.5.2001 gestellter Antrag auf Erteilung eines Alleinerbscheins auf Grund des Testaments vom 1.4.1998 wurde durch Beschluss des Nachlassgerichts vom 10.7.2001, übersandt an den Beteiligten zu 1) am 11.7.2001, zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Nachlassgericht ausgeführt, dass dieses privatschriftliche Testament gegen die zwingende Formvorschrift des § 2247 BGB verstoße und somit unwirksam sei.

Auf seinen Antrag hin wurde dem Beteiligten zu 1) am 23.11.2001 vom Nachlassgericht eine Abschrift des Protokolls vom 10.2.1998 über die Rücknahme des Testaments vom 3.9.1992 übersandt.

Auf Antrag der Beteiligten zu 2) und 3) erteilte das Nachlassgericht ihnen am 16.1.2002 einen gemeinschaftlichen Teilerbschein als Miterben zu je ¼.

Der Beteiligte zu 1) stellte am 20.2.2003 einen Antrag auf Erteilung eines Teilerbscheins gem. gesetzlicher Erbfolge, nachdem er zuvor erklärt hatte, bei der derzeitigen Sachlage wohl einen solchen Antrag stellen zu müssen. Mit Beschl. v. 12.6.2003 erteilte das Nachlassgericht dem Beteiligten zu 1) einen Teilerbschein entsprechend seinem Antrag.

Am 4.9.2003 erklärte der Beteiligte zu 1) die Anfechtung der in der Rücknahme des notariellen Testaments am 3.9.1992 aus amtlicher Verwahrung liegenden Widerrufs wegen Irrtums der Erblasserin über den Umstand, dass sie später ein gültiges Testament errichten werde. Er beantragte gleichzeitig, die bereits erteilten Teilerbscheine zugunsten der Beteiligten zu 1, 2 und 3 wegen Unrichtigkeit einzuziehen. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind diesem Antrag entgegengetreten.

Mit Beschl. v. 22.10.2003 lehnte das Nachlassgericht diesen Antrag ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen an, dass die Anfechtung des in der Rücknahme aus amtlicher Verwahrung liegenden Widerrufs deswegen unwirksam sei, da die einjährige Anfechtungsfrist zum Zeitpunkt der Anfechtungserklärung verstrichen gewesen sei. Der Beteiligte zu 1) hätte bereits im Jahr 2001 Kenntnis von allen das behauptete Anfechtungsrecht begründenden Tatsachen gehabt. Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 1) Beschwerde eingelegt und zur Begründung angeführt, dass in seinem Schreiben vom 2.7.2001 bei großzügiger Auslegung eine Anfechtungserklärung zu sehen sei und er darüber hinaus erst am 13.9.2002 aufgrund eines von ihm erholten P...

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