Verfahrensgang

LG Kempten (Entscheidung vom 27.10.2008; Aktenzeichen 3 O 2243/06)

 

Tenor

  • I.

    Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

  • II.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.

  • III.

    Der Wert der Beschwerde beträgt 324,81 €.

 

Gründe

I.

Die Klägerin ließ die streitgegenständlichen Werklohnrechnungen vom 5.12.05 über 10.243,96 € durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 27.1.06 anmahnen. Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 30.1.06 die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gegen die Klägerin. Das Beweisverfahren endete am 18.6.08 mit einem Beschluß des Landgerichts Kempten, in dem der Streitwert auf 5.010,- EUR festgesetzt wurde. Die Klägerin machte mit ihrer Klage vom 3.11.06 neben der Hauptsacheforderung in Höhe von 10.243,96 € auch eine 0,65 Geschäftsgebühr aus 10.243,96 € zuzüglich Auslagenpauschale, insgesamt 361,90 €, für die außergerichtliche Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten geltend. Der Rechtsstreit wurde durch Urteil des Landgerichts Kempten vom 11.9.08 beendet, in dem der Klägerin unter anderem die vorgerichtlichen Anwaltskosten zugesprochen und der Beklagten 95 % der außergerichtlichen Kosten der Klägerin einschließlich der im Beweisverfahren entstandenen auferlegt wurden.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 27.10.2008 die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 2.243,83 € festgesetzt.

Gegen diesen Beschluß hat die Klägerin am 7.11.08 ein als "Erinnerung" bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt. Sie wendet sich gegen die Anrechnung der hälftigen außergerichtlichen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens.

Das Landgericht hat das Rechtsmittel als Beschwerde behandelt und dieser durch Beschluss vom 18.12.2008 nicht abgeholfen.

II.

Das Rechtsmittel der Klägerin ist trotz abweichender Bezeichnung als sofortige Beschwerde zu behandeln (§11 Abs. 2 S. 1 RPflG). Diese ist zulässig (§§104 Abs. 3, 567, 569 ZPO).

Sie ist jedoch unbegründet, da die Kostenfestsetzung des Landgerichts im Ergebnis den Anrechnungsvorschriften der Vorbemerkung 3 Abs. 4 und 5 VV-RVG entspricht.

Dass im vorliegenden Fall eine außergerichtliche Geschäftsgebühr nach 2300 VV-RVG sowie je eine Verfahrensgebühr nach 3100 VV-RVG im selbständigen Beweisverfahren und im Hauptsacheverfahren entstanden sind, dass der Gegenstand der beiden Verfahren teilweise identisch ist und auch Parteien und Prozessbevollmächtigte identisch sind, ist unstreitig. Damit sind die Voraussetzungen für eine Anrechnung sowohl nach Abs. 4 als auch Abs. 5 der Vorbemerkung 3 VV-RVG gegeben.

Der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung vom 22.1.2008 (Az.: VIII ZB 57/07, JurBüro 2008, 33, 102 = NJW 2008, 1323) und in weiteren Folgeentscheidungen festgestellt, dass eine vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr auch im Kostenfestsetzungsverfahren nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG immer anzurechnen ist, unabhängig davon, ob die Geschäftsgebühr auf materiellrechtlicher Grundlage vom Prozessgegner zu erstatten ist, ob sie unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen ist (s.a. Senat Beschluss vom 13.10.08, 11 W 2279/08).

Aus der Anrechnungsvorschrift in Vorbemerkung 3 Abs. 5 RVG-VV ist zu entnehmen, dass nach Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens bei Identität der Personen und des Gegenstands die dort entstandene Verfahrensgebühr auf die der Hauptsache anzurechnen ist (OLG Stuttgart, Beschluss vom 15. Juli 2008, Az. 8 W 264/08 und 8 W 265/08; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl. 2008, Anh. III Rdnr. 26; Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl. 2008, Nr. 3100 RVG-VV Rdnr. 57; je m.w.N.), und zwar entgegen der Ansicht des Landgerichts so, dass die zeitlich zuvor entstandene Verfahrensgebühr im selbstständigen Beweisverfahren Bestand hat, während die des Hauptsacheverfahrens durch Anrechnung ganz oder teilweise in Wegfall kommt (OLG Stuttgart JurBüro 2008, 526-527).

Auf dieser Grundlage muss die doppelte Anrechnung von außergerichtlicher Geschäftsgebühr (Nr. 2300 RVG-VV) und Verfahrensgebühr (Nr. 3100 RVG-VV) des selbstständigen Beweisverfahrens in Bezug auf die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 RVG-VV) des Hauptsacheverfahrens folgendermaßen vorgenommen werden:

Zunächst erfolgt die Anrechnung innerhalb der gerichtlichen Verfahren, wobei die Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens auf die des Hauptsacheverfahrens angerechnet wird. Auf die verbleibenden gerichtlichen Verfahrensgebühren kann dann die außergerichtliche 0,65-Geschäftsgebühr angerechnet werden. Zu diesen Verfahrensgebühren rechnet außer der des Beweisverfahrens auch der nach Anrechnung verbleibende Rest der Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens, wenn wie im vorliegenden Fall dessen Streitwert höher ist als der des Beweisverfahrens.

Nur dies entspricht der Intention des Gesetzesgebers, dass im Falle der Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens und anschließenden Klageverfahrens bei Identität der Personen und des Gegenstands die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV nur einmal geltend gemacht werden k...

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