Leitsatz (amtlich)

1. Die Errichtung einer Pergola stellt in der Regel eine bauliche Veränderung dar.

2. Der durch die bauliche Veränderung über das hinnehmbare Maß hinaus beeinträchtigte Wohnungseigentümer kann auch dann Beseitigung verlangen, wenn die Eigentümerversammlung zuvor bestandskräftig beschlossen hat, die Maßnahme in jederzeit widerruflicher Weise zu dulden.

 

Normenkette

WEG § 14 Nr. 1, § 22 Abs. 1; BGB § 1004

 

Verfahrensgang

LG Augsburg (Beschluss vom 19.01.2006; Aktenzeichen 7 T 3163/05)

AG Augsburg (Aktenzeichen 3 UR II 165/04)

 

Tenor

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des LG Augsburg vom 19.1.2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin trägt die gerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Sie hat die den Antragstellern in diesem Rechtszug entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer ca. 35 Einheiten umfassenden Wohnanlage. Die Antragsteller, ein Ehepaar, sind Wohnungseigentümer einer im ersten Stock gelegenen Wohnung, der ein Balkon vorgelagert ist. Der Antragsgegnerin gehört die darunter liegende Wohnung im Erdgeschoss mit einem Gartenanteil, der ihr zur Sondernutzung zugewiesen ist.

Im Frühjahr 2002 errichtete die Antragsgegnerin auf der Terrasse vor ihrer Wohnung eine sog. Pergola, die aus einem an der Außenfassade verankerten Holzgestell und einem Acryldach besteht.

Die Teilungserklärung vom 16.3.1983 enthält unter VII. folgende Regelung:

Bauliche Änderungen

I. Bauliche Änderungen an oder in den Sondereigentumsräumen (Um-, An- und Einbauten) bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Verwalters.

II. Der schriftlichen Zustimmung des Verwalters bedürfen ferner das Anbringen von Schildern, Reklameeinrichtungen, Leuchtschriften, Antennen, Markisen, Jalousetten, Blumenkästen oder ähnlicher Anlagen, sowie die Beseitigung von Einrichtungen oder Anlagen, die beim Bezug des Sondereigentums vorhanden waren.

III. Verweigert der Verwalter die Zustimmung, so gilt Ziff. II Abs. 5 entsprechend.

IV. Für bauliche Veränderungen am gemeinschaftlichen Eigentum sowie für Maßnahmen i.S.d. Abs. 2) ist die Zustimmung des Verwalters erforderlich und ausreichend, soweit durch solche Änderungen nicht in die Sondereigentumsrechte einzelner Wohnungseigentümer eingegriffen wird, den Wohnungseigentümern Kosten für die Vornahme der baulichen Veränderungen nicht entstehen und die Wohnungseigentümer durch spätere Instandsetzungsmaßnahmen infolge der baulichen Veränderungen nicht unzumutbar belastet werden.

Wird ein Wohnungseigentümer durch eine bauliche Veränderung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen in seinem Sondereigentum beeinträchtigt, so genügt dessen Zustimmung neben der Zustimmung des Verwalters.

Im Übrigen gilt § 22 WEG.

Die Teilungserklärung sieht in II. 5) für Nutzungsänderungen und Vermietungen die Möglichkeit vor, einen Beschluss der Eigentümerversammlung herbeizuführen, wenn der Verwalter die Zustimmung verweigert.

Eine Zustimmung der Verwalterin wurde hier nicht eingeholt.

Am 15.5.2002 befasste sich die Eigentümerversammlung laut Protokoll wie folgt mit der Pergola:

Die Miteigentümerin Frau S. (Antragsgegnerin) hat ohne Zustimmung der Eigentümergemeinschaft im Bereich ihrer Terrasse im Erdgeschoss eine großflächige Holzkonstruktion mit Dachabdeckung aufgestellt.

Verschiedene Meinungen wurden kontrovers diskutiert.

Die anwesenden Eigentümer sprachen sich dafür aus - ohne hierüber förmlich einen Beschluss zu formulieren -, dass die Konstruktion geduldet wird. Diese Duldung kann jederzeit in kommenden Eigentümerversammlungen widerrufen werden. Für auftretende Schäden hat Frau S. einzustehen. Frau S. erklärte sich bereit, die seitlichen Bauteile zu begrünen.

In der Eigentümerversammlung vom 1.7.2004 wurde unter Tagesordnungspunkt (TOP) 6 ein Antrag auf Widerruf der Duldung der Pergola mehrheitlich abgelehnt. Auf der Eigentümerversammlung vom 15.6.2005 wurde erneut beschlossen, dass die Eigentümergemeinschaft die Pergola in jederzeit widerruflicher Weise duldet.

Die Antragsteller haben neben einem anderen Beschlussgegenstand den Eigentümerbeschluss zu TOP 6 vom 1.7.2004 angefochten und zugleich beantragt, die Antragsgegnerin zur Beseitigung des Vordachs samt Holzunterbau zu verpflichten. Das AG hat durch insoweit inzwischen rechtskräftigen Beschluss vom 20.6.2005 den Antrag auf Ungültigerklärung des zu TOP 6 gefassten Beschlusses abgewiesen. Gleichzeitig hat es die Antragsgegnerin zur Entfernung der Pergola und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands verpflichtet. Die gegen die letztgenannte Entscheidung gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat das LG durch Beschluss vom 19.1.2006 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin.

II. Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.

1. Das LG hat ausgeführt:

Die Antragsgegnerin sei zur Beseitigung der Pergola verpflichte...

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