Leitsatz (amtlich)

1. Ein Scheitern der Abschiebung i.S.v. § 62 Abs. 2 Satz 5 AufenthG liegt nicht vor, wenn ein für die Luftabschiebung ursprünglich vorgesehener Termin noch vor Beginn des Vollzugs verlegt wird.

2. Zur Beachtung des Beschleunigungsgebots und zur Amtsermittlungspflicht des Tatrichters, wenn der ursprünglich zur Luftabschiebung vorgesehene Termin verlegt wird.

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 2 S. 2, Art. 104; FGG § 12; AufenthG § 62 Abs. 2 S. 5

 

Gründe

I. Die Ausländerbehörde betrieb die Abschiebung des Betroffenen, eines vietnamesischen Staatsangehörigen. Dieser reiste am 30.4.2001 in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne im Besitz eines Passes oder Passersatzes, eines Visums oder einer Aufenthaltserlaubnis zu sein. Sein am 9.5.2001 gestellter Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter wurde mit Bescheid des zuständigen Bundesamts für die Anerken-

nung ausländischer Flüchtlinge vom 21.5.2001 als offensichtlich unbegründet abgelehnt und ihm für den Fall der nicht freiwilligen Ausreise binnen einer Woche die Abschiebung nach Vietnam angedroht. Dieser Bescheid ist seit 2.6.2001 rechtskräftig, die Abschiebungsandrohung seit dem 3.6.2001 vollziehbar. Der Betroffene wurde in der Folgezeit geduldet, zuletzt bis 8.10.2008. Seitdem war er unbekannten Aufenthalts. Am 9.1.2009 wurde er auf einer Bahnfahrt polizeilich kontrolliert. Dabei wurde festgestellt, dass er ohne Ausweispapiere war.

Der Betroffene wurde vorläufig festgenommen. Auf Antrag der für den Festnahmeort zuständigen Ausländerbehörde hat das AG mit Beschluss vom 10.1.2009 Abschiebungshaft bis zum 10.4.2009 und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Das LG hat mit am 3.3.2009 zugestelltem Beschluss vom 25.2.2009 nach Anhörung des Betroffenen dessen sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss zurückgewiesen und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Der Betroffene hat hiergegen am 17.3.2009 sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

Die Luftabschiebung nach Vietnam war für den 9.3.2009 geplant. Für diesen frühestmöglichen Termin waren nach Mitteilung der Ausländerbehörde bundesweit jedoch 75 vietnamesische Staatsangehörige gemeldet, von denen sich über 50 Personen in Haft befanden; die zuständige Bundespolizeidirektion habe daher eine Auswahl getroffen und die Haftfälle zuerst berücksichtigt, bei denen die Abschiebehaft vor dem 23.3.2009 endete. An diesem Tag war im Rahmen des deutsch-vietnamesischen Rückführungsabkommens der nächste Rückführungsflug möglich.

Am 11.3.2009 hat der Betroffene durch seinen Verfahrensbevollmächtigten beantragt, ihn umgehend freizulassen, hilfsweise den Beschluss vom 10.1.2009 aufzuheben, da die Abschiebung gescheitert sei. Diesen Antrag hat das AG mit Beschluss vom 19.3.2009 zurückgewiesen.

Am 23.3.2009 wurde der Betroffene abgeschoben. Die sofortige Beschwerde vom 24.3.2009, mit der der Betroffene beantragt hat, festzustellen, dass die Inhaftierung in Abschiebungshaft rechtswidrig war, hat das LG mit Beschluss vom 20.5.2009 zurückgewiesen und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Auch hiergegen hat der Betroffene sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

II. Auf das Verfahren sind die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden (Art. 111 Abs. 1 FGG-RG vom 17.12.2008, BGBl. I, 2586).

1. Soweit sich die Rechtsmittel gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe richten, sind sie unzulässig, da das LG sie nicht zugelassen hat (vgl. Zimmermann in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 14 Rz. 34 m.w.N.).

2.a) Der im Rahmen der statthaften, form- und fristgerecht erhobenen sofortigen weiteren Beschwerde vom 17.3.2009 (§ 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 22 Abs. 1, §§ 27, 29 FGG) gestellte Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung vom 10.1.2009 ist wegen des auch nach Haftentlassung fortbestehenden Rehabilitationsinteresses (vgl. z.B. BVerfG vom 31.10.2005, 2 BVR 2233/05 = wistra 2006, 59) zulässig. Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss vom 25.2.2009 wird als Feststellungsantrag weiterverfolgt, wie sich aus der Begründung vom 27.7.2009 ergibt, wo ausgeführt wird, dass die Haft "jedenfalls" bis zur Entscheidung des LG rechtswidrig gewesen sei.

Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

b) Das LG hat in seinem Beschluss vom 25.2.2009 ausgeführt:

Das Landratsamt habe den Haftantrag als örtlich zuständige Ausländerbehörde ordnungsgemäß gestellt. In Bayern richte sich die örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörden nach § 5 der Verordnung über die Zuständigkeiten zur Ausführung des Aufenthaltsgesetzes und ausländerrechtlicher Bestimmungen in anderen Gesetzen (ZuStVAuslR vom 14.7.2005, GVBl. S. 306). Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 ZuStVAuslR sei für unaufschiebbare Maßnahmen jede Kreisverwaltungsbehörde zur Stellung des erforderlichen Haftantrags gem. § 3 Satz 1 FreihEntzG örtlich zuständig, in deren Be...

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