Leitsatz (amtlich)

Rechtsanwalts-Reisekosten eines auswärtigen Mitglieds einer überörtlichen Anwaltssozietät zu einem Gericht, bei dem ebenfalls Anwälte dieser Sozietät ansässig sind, sind nicht erstattungsfähig.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 2; BRAGO §§ 52-53

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 12 O 7922/01)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte zu 1) trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 294 DM (150,32 EUR).

 

Gründe

Mit ihrer sofortigen Beschwerde wendet sich die Beklagte zu 1) gegen die Absetzung der Terminsreisekosten ihres Prozessbevollmächtigten (Rechtsanwalt …), von dessen Kanzleisitz in F. nach M. Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass nach Auffassung „nahezu sämtlicher Obergerichte” die Reisekosten eines Anwalts mit Sitz in der Nähe des Unternehmenssitzes der jeweiligen Partei zur auswärtigen Terminswahrnehmung dann erstattungsfähig seien, wenn dieser Anwalt bereits mit der vorgerichtlichen Korrespondenz befasst gewesen sei und insoweit in die Sache bereits eingearbeitet sei. Dies gelte nicht nur, wenn der außergerichtlich mit der Sache befasste Rechtsanwalt seinen Kanzleisitz in der Nähe des Sitzes der Partei habe. In Zeiten zunehmender Spezialisierung und insbesondere des Wegfalls der Postulationsfähigkeit (gemeint wohl: Erweiterung der Postulationsfähigkeit bzw. Wegfall des Lokalisierungsprinzips) sei es bei komplexen Streitigkeiten wie der vorliegenden erforderlich, auf ein spezialisiertes und allein von seiner Größe her leistungsfähiges Rechtsanwaltsbüro zurückgreifen zu können, das mit den Besonderheiten des Geschäftsbetriebs der Partei befasst sei.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig. In sachlicher Hinsicht hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Die Erstattungsfähigkeit der Terminsreisekosten des Frankfurter Prozessbevollmächtigten der Beklagten scheitert bereits daran, dass es sich bei der von der Beklagten eingeschalteten Sozietät um eine überörtliche Sozietät handelt, zu der auch Münchner Prozessbevollmächtigte gehören.

Terminsreisekosten des auswärtigen Prozessbevollmächtigten sind auch nach der Änderung des § 78 ZPO grundsätzlich nur im Rahmen der Vorschrift des § 91 Abs. 2 S. 1 2. Hs. ZPO erstattungsfähig. Dabei ist im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich, ob aus dieser Vorschrift hergeleitet wird, dass die Erstattung dieser Rechtsanwalts-Reisekosten nur dann in Betracht kommt, wenn im Einzelfall die Kosten für notwendige Informationsreisen erspart wurden (vgl. OLG München v. 6.4.2001 – 11 W 946/01, OLGReport München 2001, 247 = MDR 2001, 773; v. 4.10.1991 – 11 W 2075/91, MDR 1992, 308 = JurBüro 1992, 176; ferner OLG Hamburg v. 8.12.2000 – 8 W 252/00, OLGReport Hamburg 2001, 96 = MDR 2001, 294; OLG Karlsruhe v. 13.12.2000 – 11 W 136/00, OLGReport Karlsruhe 2001, 54 = MDR 2001, 293; OLG Nürnberg, OLGReport Nürnberg 2001, 71) oder ob die Erstattungsfähigkeit auch darüber hinaus – etwa für einen in der Nähe der auswärtigen Partei ansässigen Prozessbevollmächtigten – bejaht wird (vgl. KG AnwBl. 2001, 573; OLG Bremen AnwBl. 2001, 574).

Entscheidend ist, dass die überörtliche Sozietät als solche beauftragt ist, alle für die Prozessführung nötigen Tätigkeiten auszuführen. Dementsprechend können für die Tätigkeiten der Mitglieder der Sozietät die Gebühren nur einmal anfallen, auch wenn Rechtsanwälte aus verschiedenen Orten tätig werden. Dies gilt insbesondere für die Tätigkeit als Verkehrsanwalt (vgl. OLG München v. 14.2.1995 – 11 W 729/95, OLGReport München 1995, 131 = MDR 1995, 752 = JurBüro 1996, 139; OLG Karlsruhe JurBüro 1995, 31; Hansens, BRAGO, 8. Aufl., § 52 Rz. 12), aber auch für die Tätigkeit als Beweis- und Verhandlungsanwalt (Unterbevollmächtigter) oder nach Verweisung des Rechtsstreits (vgl. Gerold/Schmidt-von Eicken, BRAGO, 15. Aufl., § 52 Rz. 3a; Enders, JurBüro, Jubiläumssonderheft 1999, 11; OLG Hamburg v. 9.1.1996 – 8 W 290/95, OLGReport Hamburg 1996, 158 = MDR 1996, 532). Die einschränkende Auffassung des OLG Frankfurt (OLG Frankfurt v. 23.8.1993 – 6 W 125/93, OLGReport Frankfurt 1993, 291 = MDR 1994, 213 = AnwBl. 1994, 46) ist im Wesentlichen auf die fehlende Zulassung des auswärtigen Anwalts beim Prozessgericht gestützt und dürfte nach der Erweiterung der Postulationsfähigkeit (Wegfall des Lokalisierungsprinzips) nicht mehr aufrechtzuerhalten sein.

Aus dem Umstand, dass alle Mitglieder der überörtlichen Sozietät beauftragt sind, ergibt sich nicht nur, dass die Gebühren nur einmal anfallen, sondern auch, dass die Notwendigkeit der Terminsreisekosten eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten zu verneinen ist. Da alle Rechtsanwälte der Sozietät die Termine wahrnehmen können, ist kein Anhaltspunkt dafür gegeben, dass zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung gerade die Anreise des nicht am Prozessgericht ansässigen Rechtsanwalts notwendig wäre. Auf die Kenntnisse eines einzelnen Rechtsanwalts kann bei einer (überörtlichen) Sozietät, die übrigens ihre Leistungsfäh...

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