Leitsatz (amtlich)

Zur Erfüllung eines Vermächtnisses, dessen Inhalt ein vermietetes Grundstück ist und das der Erblasser zugunsten seines minderjährigen Enkels ausgesetzt hat, bedarf die Auflassung der Bestellung eines Ergänzungspflegers, wenn Erbin des Nachlasses die sorgeberechtigte Mutter ist.

 

Normenkette

BGB §§ 107, 181, 1629 Abs. 2 S. 1, § 1795 Abs. 2, § 1909 Abs. 1, § 2174; GBO §§ 19-20

 

Verfahrensgang

AG Passau - Grundbuchamt - Kößlarn (Beschluss vom 01.12.2010; Aktenzeichen Blatt 893)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten gegen die Zwischenverfügung des AG Passau - Grundbuchamt - vom 1.12.2010 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 3.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 1 ist die Tochter und testamentarische Erbin des am 19.2.2010 verstorbenen Erblassers J. B. Die Beteiligte zu 1 und der Beteiligte zu 2 sind die Eltern des am 31.12.2007 geborenen Kindes T., des Beteiligten zu 3. Der Erblasser hatte in seiner letztwilligen Verfügung vom 17.2.2010 zugunsten seines Enkels ein Vermächtnis des Inhalts ausgesetzt, dass die Erbin sein - vermietetes - Wohnhaus in K. an T. herauszugeben und zu übereignen habe.

Im Zuge der Erfüllung des Vermächtnisses erklärten die Beteiligten zu 1 und 2 auch als Inhaber der elterlichen Sorge für den gemeinsamen Sohn T. zu notarieller Urkunde am 30.9. 2010 die Annahme des Vermächtnisses. Die Auflassung zugunsten des Beteiligten zu 3 wurde erklärt, die Eintragung der Auflassung bewilligt und beantragt.

Auf den Vollzugsantrag vom 13.10.2010 hat das Grundbuchamt mit fristsetzender Zwischenverfügung vom 1.12.2010 beanstandet, dass die Genehmigung der Auflassung durch einen Ergänzungspfleger gem. § 1629 Abs. 2 Satz 1, § 1795 Abs. 2, §§ 181, 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB fehle. Es hat sich im Wesentlichen auf die Rechtsprechung des BGH berufen, nach der ein auf den Erwerb eines vermieteten Grundstücks gerichtetes Rechtsgeschäft für einen Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sei; daran ändere nichts, dass sich dieser Erwerb in Erfüllung einer Verbindlichkeit vollziehe. Auf den Rechtsgrund des Erwerbs komme es nämlich nicht an. Auch wenn sich die Verpflichtung aus einer letztwilligen Verfügung ergebe, so ließen sich mögliche Rechtsnachteile des Erfüllungsgeschäfts nicht durch ein unter unmittelbarer oder mittelbarer Beteiligung des Vertretenen zustande gekommenes schuldrechtliches Rechtsgeschäft "ausfiltern" oder bewusst hinnehmen. Das minderjährige Kind könne demnach von seinen Eltern bei der Auflassung nicht wirksam vertreten werden und es bedürfe der Genehmigung der Auflassungsurkunde durch einen vom Familiengericht zu bestellenden Ergänzungspfleger.

Der Beschwerde vom 14.1.2011 hat das Grundbuchamt am 25.11.2010 nicht abgeholfen und die Akten dem Senat als Beschwerdegericht vorgelegt.

II. Die im Namen aller Urkundsbeteiligter vom Notar eingelegte zulässige Beschwerde (§ 15 Abs. 2, § 18 Abs. 1, § 71 Abs. 1, §§ 72, 73 GBO) hat keinen Erfolg. Das Grundbuchamt verlangt für das zu vollziehende Grundstücksgeschäft zutreffend die Genehmigung der Auflassung (§§ 19, 20 GBO) durch einen Ergänzungspfleger.

1. Nach der vom Senat geteilten Rechtsprechung des BGH (BGHZ 162, 137) ist ein auf den Erwerb eines vermieteten (oder verpachteten) Grundstücks gerichtetes Rechtsgeschäft für einen Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft i.S.d. § 107 BGB. Denn in dessen Folge wird der Minderjährige mit Verpflichtungen belastet, für die er nicht nur dinglich mit der erworbenen Sache, sondern auch persönlich mit seinem sonstigen Vermögen haftet. Eine solche persönliche Haftung ist mit dem Erwerb eines vermieteten Grundstücks verbunden, weil gemäß § 566 Abs. 1 BGB der Erwerber mit dem Eigentumsübergang in sämtliche Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Mietverhältnis eintritt. Den Erwerber treffen vielfältige Pflichten aus diesem Schuldverhältnis; ihm erwachsen daraus nicht nur typischerweise ungefährliche Rechtsnachteile, die bei der Anwendung des § 107 BGB von vornherein außer Betracht bleiben können, wie etwa die mit dem Eigentumserwerb einhergehende Verpflichtung zur Tragung öffentlicher Lasten. Die Pflichten sind ihrem Umfang nach auch nicht begrenzt; ihre wirtschaftliche Bedeutung hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Ob sie für das Vermögen des Minderjährigen hinnehmbar sind, kann nicht abstrakt beurteilt werden, sondern erfordert eine entsprechende einzelfallbezogene Prüfung durch den gesetzlichen Vertreter (BGHZ 162, 137 [140 f.]; ebenso BayObLG NJW 2003, 1129; s. auch Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rz. 3610k; Palandt/Diederichsen, BGB, 70. Aufl., § 1795 Rz. 13).

2. Schon nach einer älteren Entscheidung des BGH vom 9.7.1980 (BGHZ 78, 28) war dann, wenn das schuldrechtliche Geschäft dem Minderjährigen lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt, der gesetzliche Vertreter nicht etwa im Hinblick auf § 181 letzter Halbs. BGB befugt, den Minderjährigen bei der Annahme der Auflassung zu vertreten, sofern mit der Übertragung ...

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