Leitsatz (amtlich)

Das bloße Verlangen einer überhöhten Vergütung bei Werkleistungen enthält nicht zugleich die Behauptung der Angemessenheit oder Üblichkeit und stellt sich daher nicht als betrugsrelevante Täuschung dar. Dies gilt auch dann, wenn die bei Abnahme des Werks erstmals bezifferte Vergütungsforderung den Vergütungsanspruch nach § 632 Abs. 2 BGB deutlich übersteigt. Eine Verpflichtung, darüber aufzuklären, dass die verlangte Vergütung den Vergütungsanspruch nach § 632 Abs. 2 BGB überschreitet, besteht nicht.

 

Normenkette

StGB § 263; BGB § 632 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Augsburg (Entscheidung vom 25.03.2009)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 25. März 2009 aufgehoben. Der Angeklagte wird freigesprochen.

  • II.

    Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

 

Gründe

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Seine Berufung hat das Landgericht mit der Maßgabe verworfen, dass er zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt wird. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

1.

Nach den Feststellungen des Landgerichts bot der Angeklagte, ein Scherenschleifer, der ehemaligen Schneiderin K. am 8.11.2007 seine Dienste an. Die Geschädigte K. ließ seit 35 Jahren Messer und Scheren von einer Scherenschleiferin schleifen und hatte deshalb eine "gewisse Vorstellung, was das Schleifen normalerweise kosten würde". Ihre Frage, ob er der Nachfolger ihrer Scherenschleiferin sei, bejahte der Angeklagte. Sie übergab ihm vier Scheren und acht Messer zum Schleifen, ohne dass ein Preis für die durchzuführenden Arbeiten vereinbart wurde. Als der Angeklagte die geschliffenen Messer und Scheren zurückbrachte, verlangte er EUR 225. Er erhielt zunächst EUR 90 in bar, da die Geschädigte und ihr Lebensgefährte nicht über mehr Bargeld verfügten. Den Restbetrag sollte der Angeklagte vereinbarungsgemäß am nächsten Tag erhalten. Nachdem den beiden Geschädigten der Preis deutlich überhöht erschien, erkundigten sie sich bei ihrer früheren Scherenschleiferin und erhielten die Auskunft, es seien lediglich etwa EUR 50 angemessen. Eine weitere Zahlung erfolgte nicht. Auf eine polizeiliche Anfrage erteilte ein Messerschleifbetrieb die Auskunft, für die geleisteten Arbeiten sei ein Honorar von EUR 50 bis EUR 60 angemessen.

2.

Die Auffassung des Landgerichts, der Angeklagte habe mit dem Verlangen nach einer überhöhten Vergütung einen Betrug begangen, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a)

Die Annahme eines Betrugs durch Abschluss eines Vertrages (Eingehungsbetrug) scheidet aus, da der Angeklagte durch sein Angebot, die ihm übergebenen Messer und Scheren zu schleifen, keine Täuschungshandlung begangen hat. Seine Erklärung hatte nur den Inhalt, dass er Scheren und Messer gegen Entgelt schleifen würde. Dieses Angebot hat die Geschädigte durch Übergabe der Werkzeuge angenommen und dadurch mit dem Angeklagten einen Werkvertrag (§ 631 BGB) abgeschlossen. Dem steht nicht entgegen, dass bei Vertragsabschluss nicht über die Höhe der Vergütung gesprochen worden ist.

Nach § 632 Abs. 1 BGB gilt die Zahlung einer Vergütung für die Werkleistung als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werks den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, so dass dem Angeklagten ein Vergütungsanspruch zustand, dessen Höhe § 632 Abs. 2 BGB festlegt. Nach dieser Vorschrift ist, wenn die Höhe der Vergütung nicht bestimmt ist, bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. Eine taxmäßige Vergütung setzt voraus, dass die werkvertraglich geschuldete Vergütung in einer Vergütungsordnung bzw. Gebührenordnung festgesetzt ist, die eine hoheitliche Preisfestsetzung enthält und die nicht ohnehin zwingend gilt (sog. Dispositivtaxen), also z.B. die Gebührenordnungen für Rechtsanwälte, Ärzte, Zahnärzte, Architekten, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (Busche in MünchKomm-BGB 5. Aufl. 2009 § 632 Rdn. 21). Da es für Schleifleistungen keine Taxe und damit auch keine taxmäßige Vergütung gibt, ist die übliche Vergütung im Sinne von § 632 Abs. 2 BGB als vereinbart anzusehen, also die Vergütung, die zur Zeit des Vertragsschlusses nach allgemeiner Auffassung der beteiligten Kreise am Ort der Werkleistung gewährt zu werden pflegt (Sprau in Palandt BGB 68. Aufl. Rdn. 15 m.w.N.). Vergleichsmaßstab sind Leistungen gleicher Art, gleicher Güte und gleichen Umfangs. Die Anerkennung der Üblichkeit setzt gleiche Verhältnisse in zahlreichen Einzelfällen voraus (vgl. BGHZ 43, 154, 159). Die übliche Vergütung bewegt sich regelmäßig innerhalb einer bestimmten Bandbreite. Diese ist vorliegend bei etwa EUR 50 bis EUR 60 anzusetzen, so dass in dieser Höhe ein Vergütungsanspruch des Angeklagten bestand.

b)

Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte die Werkleistung ordnungsgemäß erbrac...

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