Leitsatz (amtlich)

1. Zur Grundbuchberichtigung im Erbfall, wenn Konkurrenz zwischen einem öffentlichen Testament und einer später errichteten eigenhändigen Verfügung von Todes wegen besteht.

2. Berechtigte tatsächliche Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers rechtfertigen das Verlangen des Grundbuchamts, einen Erbschein vorzulegen.

 

Normenkette

GBO §§ 22, 35 Abs. 1; BGB § 2229 Abs. 4, § 2247

 

Verfahrensgang

AG München - Grundbuchamt

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Beteiligten gegen die Zwischenverfügung des AG München - Grundbuchamt - vom 17.11.2015 wird zurückgewiesen.

2. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 5.000 EUR.

 

Gründe

I. Am 3.11.2014 verstarb die 1935 geborene deutsche Staatsangehörige Jutta A., die in zwei Grundbüchern als Eigentümerin von Grundbesitz eingetragen ist. Die Erblasserin hinterließ mehrere Verfügungen von Todes wegen, nämlich:

1. öffentliches, vor einem inländischen Notar errichtetes Testament vom 27.4.2000, eröffnet am 4.12.2014, in dem eine Vielzahl von natürlichen und juristischen Personen zu Erben in unterschiedlicher Quote eingesetzt werden;

2. vor einem öffentlichen Notar in Graz (Österreich) errichtete letztwillige Anordnung vom 16.8.2007, eröffnet am 7.5.2015, in der unter Aufhebung aller vorher errichteten letztwilligen Verfügungen das ... Kinderdorf Österreich (= der Beteiligte) zum Alleinerben eingesetzt wird. Die Urkunde enthält umfangreiche Ausführungen zur angenommenen Testierfähigkeit vor dem Hintergrund, dass die Erblasserin von Ängsten berichtete, durch ihre Brüder vergiftet zu werden. Der Urkunde beigefügt ist ein sechsseitiges Gutachten eines österreichischen Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 9.7.2007, das aufgrund einer Untersuchung am 5.7.2007 eine ausreichende Testierfähigkeit der Erblasserin bestätigt und der vorliegenden wahnhaften Idee, ihre Wohnung sei vergiftet und dahinter würden ihre Bruder stecken, nur eine untergeordnete Rolle beimisst;

3. eigenhändiges Testament vom 1.10.2014, eröffnet am 4.12.2014, in dem von einem Versprechen der Erblasserin die Rede ist, dass eine Dora A. "meine Haushälfte mit allen Möbeln und Inventar haben kann, wenn es ihr möglich ist die Sachen abholen zu lassen";

4. weitere drei teils nicht vollständige, teils nicht unterschriebene Schriftstücke, datiert mit "Pfingsten 18.5.2013" und "22.9.014", je eröffnet am 7.5.2015.

Der Beteiligte hat erklärt, die Erbschaft aufgrund letztwilliger notarieller Verfügung vom 16.8.2007 anzunehmen, und am 9.7.2015 um Berichtigung des Grundbuchs nachgesucht. Das Grundbuchamt hat mit fristsetzender Zwischenverfügung vom 17.11.2015 aufgegeben, zum Erbennachweis einen Erbschein vorzulegen. Die erbrechtliche Lage sei nicht eindeutig und zweifelsfrei. Es lägen handschriftliche Testamente späteren Datums vor und es sei ungeklärt, welche letztwillige Verfügung nun gelte. Zudem sei die Frage der Testierfähigkeit zu klären. Dies habe im formalen Erbscheinsverfahren stattzufinden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten. Er meint, im gegebenen Fall könne das Grundbuchamt keinen Erbennachweis verlangen, sondern habe auf die öffentlich beurkundete Verfügung samt Eröffnungsniederschrift zurückzugreifen. Für die Feststellung des Erbrechts kämen allenfalls die unter 1. bis 3. genannten Verfügungen in Betracht. Das ältere notarielle Testament sei durch das jüngere von 2007 widerrufen worden. Bei der im handschriftlichen Testament vom 1.10.2014 bezeichneten Person ("Dora A.") handele es sich um die längst vorverstorbene Mutter der Erblasserin. Die Testierfähigkeit der Erblasserin bei Errichtung ihrer letztwilligen Verfügung vom 16.8.2007 sei hinreichend belegt, eine weiter gehende Klärung nicht geboten.

Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.

Der Senat hat die Akten des Nachlassverfahrens beigezogen. Mangels Antrags ist ein Erbschein bisher nicht erteilt.

II. Die gegen die Zwischenverfügung des Grundbuchamts (§ 18 Abs. 1 GBO) statthafte und auch im Übrigen zulässig erhobene Beschwerde (§ 11 Abs. 1 RPflG; § 71 Abs. 1, § 73 GBO; § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG) hat in der Sache keinen Erfolg. Das Grundbuchamt verlangt für die Berichtigung nach § 22 GBO durch Eintragung des Erben als (Wohnungs-)Eigentümer zu Recht den Nachweis in Form des Erbscheins (§ 35 Abs. 1 GBO).

1. Liegt neben der Eröffnungsniederschrift eine Verfügung von Todes wegen in formgültiger öffentlicher Urkunde vor - dabei kann es sich grundsätzlich auch um eine ausländische öffentliche Urkunde handeln (vgl. KG FGPrax 2013, 9/10 unter 2. b. bb; Demharter GBO 29. Aufl. § 35 Rn. 32) -, reicht dies grundsätzlich für den Nachweis der Erbfolge aus (Demharter § 35 Rn. 31; Böhringer ZEV 2001, 387). Es steht auch bei schwieriger Rechtslage nicht im Belieben des Grundbuchamts, anstelle der öffentlichen Urkunde einen Erbschein zu verlangen (Böhringer a.a.O.).

a) Besteht aber Konkurrenz zwischen einem öffentlichen Testament und einer später errichteten eigenhändigen Verfügung von Todes wegen, so kann das Grundbuchamt regelmäßig schon dann auf ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge