Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Frage, ob die Vermietung eines nicht genutzten Wohngebäudes eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung nach § 2038 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 BGB darstellt

 

Normenkette

BGB § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 1

 

Verfahrensgang

LG München (Urteil vom 21.06.2010)

 

Tenor

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des LG München II vom 21.6.2010 zurückzuweisen, § 522 Abs. 2 ZPO.

II. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 10.11.2010.

 

Gründe

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Weder weist der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung auf noch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Endurteils vom 21.6.2010 (Bl. 197/211 d.A.) wird Bezug genommen. Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:

Die Vermietung des Anwesens zu den im angegriffenen Endurteil bezeichneten Bedingungen ist eine Maßnahme nach § 2038 Abs. 1 Satz 2 Hs 1 BGB, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich ist. Die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung folgen nach § 2038 Abs. 2 Satz 1 BGB aus § 745 BGB (vgl. Regen in MünchKomm/BGB, 5. Aufl. 2010, § 2038 Rz. 30). Danach muss die Verwaltung der Beschaffenheit des Gegenstandes und dem Interesse aller Miterben nach billigem Ermessen entsprechen. Entscheidend ist, was eine verständige Person, nicht der verklagte Miterbe, aus der Sicht eines wirtschaftlich und vernünftig denkenden Beurteilers in der gleichen Situation machen würde (vgl. BGHZ 6, 76, 81/82; BGH FamRZ 1965, 267, 269; KG OLGE 30, 184; NJW 1953, 1592, 1593; Langhein in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2008, § 745 Rz. 5; Werner in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2002, § 2038 Rz. 13/14). Nicht erforderlich ist, dass die Maßnahme die Interessen jedes Miterben "bestmöglich" oder optimal wahrt (so ausdrücklich K. Schmidt, MünchKomm/BGB, 5. Aufl. 2009, §§ 744, 745, Rz. 28).

Nach Überzeugung des Senats erfüllt die beantragte Vermietung das Erfordernis der ordnungsgemäßen Verwaltung. Aus der Sicht eines wirtschaftlich und vernünftig denkenden Beurteilers ist, auch zur Erhaltung der Gebäudesubstanz, eine Vermietung des Anwesens erforderlich. Angesichts des selbst von der Beklagten eingeräumten Zustands des unbewohnten Anwesens begegnet die Annahme des Erstgerichts, dass ein Mietzins i.H.v. 600 EUR den berechtigten Interessen der Erbengemeinschaft nicht zuwiderläuft, keinen Bedenken. Auch die Beklagte konnte in dem Zeitraum, den die Auseinandersetzung um die Vermietung andauert, keinen Interessenten benennen, der bereit wäre, einen Mietvertrag zu einem höheren Mietzins abzuschließen.

Wie vom Erstgericht ausgeführt kommt es auch nicht darauf an, aus der Vermietung einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen. Ordnungsgemäß ist zunächst jede Verwaltungsmaßnahme, die einem weiteren Verfall des Anwesens entgegenwirkt. Da dies durch eine Vermietung grundsätzlich erreicht werden kann, ist für § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB im konkreten Fall ausreichend, dass durch die Mieteinnahmen die laufenden Kosten (z.B. Grundsteuer) gedeckt und Rücklagen für etwaige Erhaltungsmaßnahmen gebildet werden können. Dafür ist der beantragte Mietzins i.H.v. 600 EUR ausreichend.

Der Senat erkennt nicht, dass der beabsichtigte Vertragsschluss die Beklagte oder den Nachlass einseitig benachteiligt, zumal die Klägerin nach dem angegriffenen Endurteil verpflichtet ist, "die Erbengemeinschaft" von jeglicher Inanspruchnahme durch den Mieter freizustellen. Auch soll der Mieter die Betriebskosten, Schönheitsreparaturen und Kleinstreparaturen tragen.

Die künftigen Vermieter, hier die Parteien, weil die Erbengemeinschaft selbst keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt (vgl. BGH NJW 2002, 3389, 3390), sind durch die aufgrund des angegriffenen Endurteils vorzunehmende Aufklärung des Mieters über den Zustand der Mietsache bei Abschluss des Mietvertrags von Ansprüchen und Rechten wegen Minderung hinreichend geschützt (§ 536b Satz 1 BGB). Etwaige Aufwendungsersatzansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereicherung sieht der Senat nicht. Zudem bestünde auch hierfür die Freistellungsverpflichtung der Klägerin.

Das angegriffene Endurteil verstößt nicht gegen Art. 14 GG, auf den sich im Übrigen auch die Klägerin als (Mit-)Erbin berufen kann. § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB enthält eine verfassungskonforme Ausgestaltung der Grenzen des Eigentumsrechts und ermöglicht gerade in den Fällen wie der vorliegenden Konstellation einen (Wert-)Erhalt des Rechts. Dass die Beklagte keinen Einfluss mehr auf die Person des Mieters hat, ist Folge der gerichtlichen Entscheidung und der Regelung der §§ 2038, 745 Abs. 2 BGB.

Der Senat regt zur Vermeidung weiterer Kosten die Rücknahme der Berufung an.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2620513

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