Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 14.04.2004; Aktenzeichen 9 O 17509/03)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des LG München I vom 14.4.2004 aufgehoben.

II. Dem Antragsteller wird für die erste Instanz Prozesskostenhilfe gewährt.

Zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung seiner Rechte wird ihm Rechtsanwalt S. beigeordnet.

 

Gründe

A.I. Der Antragsteller beabsichtigt, gegen den Antragsgegner einen Anspruch nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen durchzusetzen.

Am 25.1.2001 wurde der Antragsteller, ein polnischer Staatsangehöriger, aufgrund eines Haftbefehls des AG Passau in einem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Passau wegen Verdachts der Steuerhinterziehung in Untersuchungshaft genommen.

Mit Beschl. v. 13.2.2001 wurde der Haftbefehl unter Freilassung des Antragstellers außer Vollzug gesetzt und mit weiterem Beschl. v. 25.2.2001 aufgehoben.

Das dem Haftbefehl zugrunde liegende Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwaltschaft am 19.12.2001 gem. § 170 Abs. 2 StPO ein.

Das LG Passau hat mit Beschl. v. 24.7.2002 im Beschwerdeverfahren die Entscheidung des AG Passau vom 29.5.2002 bestätigt, dass der Antragsteller für die erlittene Untersuchungshaft dem Grunde nach zu entschädigen ist.

Mit Schreiben seines anwaltlichen Vertreters vom 28.2.2003 machte der Antragsteller einen Entschädigungsbetrag i.H.v. 711.408,52 EUR geltend.

Seinen Anspruch begründete er im wesentlichen damit, dass infolge seiner Inhaftierung ein vor dem Abschluss stehender Vertrag über die Veräußerung eines Teiles der Geschäftsanteile des Antragstellers an einer polnischen Kapitalgesellschaft an einen Dritten vereitelt worden sei und die Geschäftsanteile in der Folge ganz erheblich an Wert verloren hätten. Dies deshalb, da wegen der Verhaftung des Antragstellers auch eine geplante Verstärkung des Kapitals der Gesellschaft nicht zustande gekommen sei und wichtige Kunden sowie Lieferanten der Gesellschaft im Zusammenhang mit den Geschehnissen Kredite zurückgezogen und die Geschäftsbeziehung zur Gesellschaft beendet hätten.

Durch den Konkurs, in den die Gesellschaft hierdurch schließlich geraten sei, sei dem Antragsteller ein weiterer Schaden entstanden.

Mit Schreiben des Generalstaatsanwalts bei dem OLG M. vom 16.6.2003, dem anwaltlichen Vertreter des Antragstellers zugestellt am 23.6.2003, wurde lediglich eine Entschädigung von 744,04 EUR gewährt und der Antrag im Übrigen zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 22.9.2003, beim LG eingegangen am 23.9.2003, beantragte der Antragsteller, ihm zur Geltendmachung der versagten Entschädigungsansprüche für die erste Instanz Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Dem Antrag beigefügt war ein Klageentwurf.

II. Der Antragsgegner ist dem Prozesskostenhilfeantrag entgegengetreten. Er hält die für die Klage bestehende Ausschlussfrist des § 13 StrEG nicht für gewahrt.

Darüber hinaus fehle es auch aus sonstigen Gründen an der Erfolgsaussicht der Klage bzw. erscheine der Antrag mutwillig.

III. Das LG hat den Prozesskostenhilfeantrag mit Beschl. v. 14.4.2004 zurückgewiesen.

Es verneint die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage, da diese wegen Versäumung der Ausschlussfrist des § 13 Abs. 1 StrEG bereits unzulässig sei.

Die Einbringung des Prozesskostenhilfeantrags mit Klageentwurf allein genüge nicht zur Fristwahrung. Erforderlich gewesen wäre die unbedingte Einreichung einer Klage mit deren sofortiger Zustellung ggf. im Wege eines Antrags nach § 65 Abs. 7 GKG a.F.

IV. Gegen den ihm am 19.4.2004 zugestellten Ablehnungsbeschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz seines anwaltlichen Vertreters vom 17.5.2004, bei Gericht eingegangen am 18.5.2004, sofortige Beschwerde eingelegt.

Er hält es für unzumutbar, nur zur Fristwahrung unbedingte Klage erheben zu müssen, bevor über seinen Antrag auf Prozesskostenhilfe entschieden sei. Auch bei einem Antrag nach § 65 Abs. 7 GKG a.F. wäre unwiderruflich eine Kostenpflicht des mittellosen Antragstellers entstanden, der sich deshalb hätte verschulden müssen. Die Entscheidung des LG verletze vor diesem Hintergrund Art. 5 Abs. 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention, wonach jede Person, die unter Verletzung dieses Artikels von Festnahme oder Freiheitsentzug betroffen ist, Anspruch auf Schadensersatz hat. Bestehe eine entsprechende Regelung, werde diese aber durch Verfahrensvorschriften unterlaufen, welche dem mittellosen Berechtigten jeden effektiven Rechtsschutz verweigern, könne diese Gesetzeslage nicht als MRK-konform angesehen werden.

V. Der Antragsgegner beantragt die sofortige Beschwerde zurückzuweisen. Er ist der Auffassung, im Rahmen der Vorschrift des § 65 Abs. 7 GKG a.F., die jeden Rechtssuchenden gleichermaßen treffe, werde die vom Antragsteller bemühte Rechtsposition ausreichend gewährt. Es sei nicht ersichtlich, weshalb dem anwaltlich vertretenen Antragsteller der durch § 65 Abs. 7 GKG a.F. vorgezeichnete Weg unzumutbar sein sollte, zumal der Antragsteller erkennbar in der Lage sei, se...

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