Leitsatz (amtlich)

1. Zwischen dem Nachlasspfleger als Vertreter der unbekannten Erben und einem gewerblichen Erbenermittler kommt ein Auftragsverhältnis nach den allgemeinen Grundsätzen nur zustande, wenn ein eindeutiger Rechtsbindungswillen zweifelsfrei feststellbar ist (Anschluss an OLG Düsseldorf BeckRs 2014, 10140).

2. Bestehen zwischen dem Nachlasspfleger und dem Erbenermittler keine vertraglichen Beziehungen, besteht grundsätzlich auch kein auf den Grundsätzen von Treu und Glauben basierender Auskunfts- und Herausgabeanspruch.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 662, 1960

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 20 O 10835/19)

 

Tenor

1. Die Kläger werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 09.07.2020, Az. 20 O 10835/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Die Kläger erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 02.11.2020.

3. Innerhalb dieser Frist können sich die Parteien auch zum Streitwert äußern, den der Senat beabsichtigt auf bis zu 7.000,00 EUR festzusetzen.

 

Gründe

I. Die durch den Nachlasspfleger vertretenen Kläger, die unbekannten Erben des am 14.07.2012 verstorbenen Erblassers, begehren von der Beklagten, einer gewerblichen Erbenermittlerin, u.a. Auskunft und Herausgabe von Unterlagen.

Das Erstgericht hat das Versäumnisurteil vom 12.03.2020, mit dem die Beklagte u.a. dazu verurteilt worden war, den Klägern Auskunft über ihre Tätigkeit im Rahmen der Erbenermittlung zu erteilen und an die Kläger Personenstands- und sonstige Urkunden herauszugeben, aufgehoben und die Klage gegen die Beklagte abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass zwischen den Klägern und der Beklagten ein Auftragsverhältnis i.S.v. § 662 BGB begründet worden sei. Beide Parteien hätten den Begriff "Auftrag" in ihren jeweiligen Schreiben verwendet. Zudem habe der Nachlasspfleger der Beklagten eine Vollmacht für die Einholung von Auskünften für den Nachlass erteilt sowie sich die Beklagte verpflichtet, den Nachlasspfleger über den Stand der Erbenermittlung durch Übersendung von Sachstandsberichten in Kenntnis zu setzen. Das Grundverhältnis für die Erteilung einer Vollmacht sei - sofern kein Gefälligkeitsverhältnis vorliege, wie hier - in der Regel ein Auftrag. Jedenfalls mit Beendigung des Auftrages sei der Beauftragte zur Rechenschaftslegung sowie zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet. Allerdings sei der Auftrag derzeit noch nicht beendet, denn das freie Widerrufsrecht des Auftragsgebers (§ 671 BGB) sei vorliegend ausgeschlossen.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Berufungsbegründung (nachfolgend abgekürzt: BB) vom 27.07.2020 (Bl. 84/91).

II. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Kläger gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen, da er einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats durch Urteil nicht erfordert und eine mündlichen Verhandlung nicht geboten ist.

Die Entscheidung des Landgerichts erscheint zumindest im Ergebnis offensichtlich zutreffend, die hiergegen von der Berufung erhobenen Einwendungen greifen nicht durch:

Im Ergebnis zu Recht hat das Erstgericht einen Auskunfts- und Herausgabeanspruch der Kläger (und damit auch die Freistellung von außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten) verneint, da zwischen den Parteien ein Auftragsverhältnis im Sinn von § 662 BGB weder nach dem eigenen Vortrag der Kläger noch sonst ersichtlich begründet worden ist, so dass für die Beklagte keine rechtsverbindliche Ermittlungspflicht und damit auch keine Auskunfts-, Rechenschafts- und Herausgabepflicht besteht. Auf die Frage, ob den Klägern vorliegend ein Widerrufsrecht gemäß § 671 Abs. 1, 1. Hs. BGB zusteht, kommt es damit nicht entscheidungserheblich an.

1. Rechtsbeziehung zwischen den Parteien

Entgegen der Auffassung des Erstgerichts haben die Parteien vorliegend ein Auftragsverhältnis iSv § 662 BGB nicht begründet.

a. Allgemeine Vorüberlegungen

Der Senat legt seiner vorläufigen Bewertung folgende rechtliche Vorüberlegungen zugrunde.

aa) Wenn der Erbe unbekannt ist und ein Sicherungsbedürfnis für den Nachlass besteht, hat das Nachlassgericht gemäß § 1960 Abs. 1 S. 2 BGB für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen. Hierfür kann es für denjenigen, welcher Erbe sein wird, einen Nachlasspfleger bestellen, § 1960 Abs. 2 BGB. Eine der zentralen Aufgaben des Nachlasspflegers ist es, die Erben zu ermitteln. Nach eigener Erfolglosigkeit kann dabei auch die Einschaltung eines gewerbsmäßigen Erbenermittlers pflichtgemäß sein, wobei der Erbenermittler immer nur einen Teilbereich der Aufgaben des Nachlasspflegers, der immer "Herr des Verfahrens" bleiben muss, wahrnehmen kann, wenn er dazu nach dessen Vorgaben ermächtigt worden ist (Siebert ZEV 2019, 688, 689). Ob und welches Rechtsverhältnis zwischen Nachlasspfleger und gewerblichem Erbenermittler zustand...

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