Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrenskostenhilfe, Geschäftswert, Beschwerdebegründung, Kosten des Beschwerdeverfahrens, Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, Hinreichende Aussicht auf Erfolg, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Beschwerdeführer, Zurückweisung, Geburtsanzeige, Verfahrensbeteiligte, Rechtsverfolgung, Beurkundung, Sach- und Rechtslage, Beschlüsse des Amtsgerichts, Erfolglose Beschwerde, Gerichtskosten, Personenstandsgesetz, Hebamme, Betreuungsgericht

 

Verfahrensgang

AG München (Beschluss vom 07.07.2023; Aktenzeichen 721 III 43/23)

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 17.11.2023; Aktenzeichen 1 BvR 1915/23)

 

Tenor

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 7.7.2023 wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird zurückgewiesen.

3. Die Beteiligten zu 1 und 2 tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

4. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die zulässige Beschwerde war zurückzuweisen, da der Beschluss des Amtsgerichts München - Betreuungsgericht - der Sach- und Rechtslage entspricht.

1. Am ...2022 wurde in M. das Kind ... im Rahmen einer Hausgeburt geboren. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Beurkundung des Geschlechts des Kindes. Die Beschwerdeführer begehren insoweit als Geschlecht des Kindes "ohne" in das Geburtsregister einzutragen. Dieses Geschlecht ("ohne") ist auf einem Formblatt zur Geburtsanzeige, mit dem die unterstützende Hebamme St. die Geburt anzeigte, angekreuzt.

2. Nach § 22 Abs. 3 PStG kann ein Kind ohne Geschlecht in das Geburtsregister eingetragen werden, wenn "das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden" kann.

Der Beurkundung steht vorliegend entgegen, dass sich der Senat keine sichere Kenntnis davon verschaffen kann, dass die Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 PStG vorliegen. Die Voraussetzung für die Eintragung, dass das betroffene Kind kein Geschlecht aufweist, wäre, dass sich der Senat davon zu überzeugen vermag, dass das Kind im Sinne des Gesetzes keinem Geschlecht zugeordnet werden kann. Ein solcher Nachweis ist indes nicht geführt.

Die einzige Angabe, die vorliegend inmitten steht, ist die durch die Hebamme ... eingereichte formularmäßige Geburtsanzeige vom ....2022. In diesem Formular ist hinsichtlich des Geschlechts ein Kreuz im Kästchen "ohne" ausgefüllt. Es handelte sich um eine Hausgeburt, so dass ärztliche Unterlagen zur Geburt nicht vorhanden sind. Auch sonst liegen insoweit keine ärztlichen Unterlagen vor.

Nachfragen durch das Kreisverwaltungsreferat der Stadt ... wurden durch die Hebamme mit Verweis auf ihre Schweigepflicht, die im Übrigen für Personenstandsanzeigen nicht besteht (§ 6 Abs. 3 BayHebBO), nicht beantwortet. Weitere Ausführungen dazu, weswegen das Kind keinem Geschlecht zuzuordnen sei, ergeben sich aus den vorliegenden Unterlagen und den Erklärungen der Verfahrensbeteiligten nicht.

Insbesondere wurde durch die Hebamme keine ausdrückliche Erklärung dazu abgegeben, dass "das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden" kann (vgl. Text des § 22 Abs. 3 PStG).

Das Standesamt ist insoweit gehalten, sich vor der Eintragung eines Kindes ohne Geschlecht Gewissheit davon zu verschaffen, dass das Kind gerade nicht dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann (vgl. Gaaz/Bornhofen/Lammers, Personenstandsgesetz 6. Aufl. 2023, § 22 Rn. 15).

3. Auch aus der Beschwerdebegründung ergibt sich keine Grundlage für eine Eintragung des Kindes ohne Geschlecht.

a) Soweit durch den anwaltlichen Vertreter der Beschwerdeführer geltend gemacht wird, die Geschlechtsidentität einer Person sei zu berücksichtigen, kann dies im vorliegenden Falle nicht verfangen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass ein Neugeborenes in der Lage gewesen wäre, bereits eine Geschlechtsidentität auszubilden. Es kommt insoweit aber gerade nicht darauf an, welches Geschlecht bzw. Nicht-Geschlecht die Eltern für das Kind annehmen. Die Vorschrift des § 22 Abs. 3 PStG stellt insoweit auf die körperlich feststellbaren Geschlechtsmerkmale ab.

b) Anders als in der Beschwerdebegründung ausgeführt ist es auch nicht möglich, auf Wunsch der Eltern "den Eintrag im Geburtenregister offenzulassen", bis sich bei dem Kind eine Geschlechtsidentität gebildet hat. Maßgeblich ist insoweit, welches (körperliche) Geschlecht zum Zeitpunkt der Geburt vorliegt.

4. Zusammenfassend ist weder durch die Beschwerdeführer noch durch die Hebamme dargetan, dass das Neugeborene in körperlicher Hinsicht weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden konnte. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

II. Der Antrag auf Verfahrenskostenhilfe war zurückzuweisen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 1 ZPO). Insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Die Erfolgsaussichten sind für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe m...

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