Entscheidungsstichwort (Thema)

Startblock bei unzureichender Schwimmbeckentiefe in einem zur Hotelanlage gehörenden Hallenschwimmbad

 

Leitsatz (amtlich)

1. Beeinträchtigungen durch Sicherheitsdefizite im Verantwortungsbereich des Reiseveranstalters infolge einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, für deren Einhaltung der Reiseveranstalter oder sein örtlicher Leistungsträger einzustehen haben, stellen einen Reisemangel dar.

2. Stellt der örtliche Leistungsträger in einem Schwimmbad, das zu der von ihm betriebenen Hotelanlage, gehört, einen Startblock an einer Stelle auf, an der das Schwimmbecken nur 1,40 m tief ist, so liegt darin eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Der Reiseveranstalter haftet i.V.m. § 278 BGB für Unfälle der Hotelgäste aufgrund eines Kopfsprungs von einem solchen Startblock in das Schwimmbecken.

3. Den geschädigten Hotelgast trifft kein Mitverschulden, wenn der Unfall beim ersten Besuch des Hallenbades passiert und keine ausreichenden Warnhinweise auf die unzureichende Wassertiefe angebracht sind.

 

Normenkette

BGB §§ 651c, 651f

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 25.09.2009; Aktenzeichen 21 O 373/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das am 25.9.2009 verkündete Urteil der 21. Zivilkammer des LG Köln - 21 O 373/07 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld von 10.000 EUR sowie weitere 340,73 EUR jeweils nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Diskontsatz seit dem 19.10.2007 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeden weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Unfall vom 17.8.2006 im B. in T. Mühle zukünftig noch entstehen wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 27 % und die Beklagte zu 73 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Am 17.7.2006, dem zweiten Tag einer von seiner Mutter bei der Beklagten gebuchten Reise in das Hotel B. in T. Mühle/U, suchte der seinerzeit 14 Jahre alte Kläger gegen Mittag das dem Hotel angeschlossene Hallenschwimmbad auf. Das Becken hat eine verschachtelte Form mit teilweise geschwungenen Seitenwänden; teilweise sind sie rechteckig ausgebildet. An einer schmalen Seite des rechteckig ausgebildeten Teils befand sich ein Startblock mit einem nach vorne geneigten Trittbrett. Auf die rückwärtige Stirnseite des Trittbretts war mit roter Schrift auf weißem Grund der Hinweis "HLOUBKA 1,40 m" (deutsch: Tiefe 1,40 m) aufgeklebt. An der parallel zu dieser Seite des Beckens verlaufenden Seitenwand des Bades waren in ca. 2 m Höhe nebeneinander zwei runde Aufkleber in der Form eines roten Kreises mit einem diagonal verlaufenden roten Balken auf weißem Hintergrund angebracht. Bei einem der Schilder in der Größe einer Wandkachel, bezog sich das durch den roten Balken signalisierte Verbot auf das Piktogramm eines Kopfspringers, bei dem anderen auf eine laufende Person.

Unmittelbar nach Betreten des Bades ging der Kläger, ohne die Piktogramme an der Wand und die Aufschrift auf der Stirnseite des Startblocks zu sehen, seitlich zu dem Startblock und machte von dort einen Kopfsprung in das nur 1,40 m tiefe Wasser. Dabei zog er sich eine Halswirbelkörperfraktur C5 und C6 sowie einen Bänderabriss C4/C5 zu.

Der Kläger hat von der Beklagten die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, mindestens 15.000 EUR, die Rückerstattung des Reisepreises für 4 Tage i.H.v. 230,32 EUR aus abgetretenem Recht seiner Mutter, die Erstattung eines materiellen Schaden von 110,41 EUR sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftigen materiellen und immateriellen Schaden begehrt.

Das LG hat mit Urteil vom 25.9.2009, auf das wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie wegen des Umfangs der Verletzungen des Klägers und deren Folgen verwiesen wird, die Klage abgewiesen. Mit der hiergegen eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter.

II. Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung ist teilweise begründet.

Dem Kläger stehen wegen des Unfalls vom 17.8.2006 ein Schmerzensgeld von 10.000 EUR sowie die weiter geltend gemachten 340,73 EUR zu. Ferner ist das Feststellungsbegehren gerechtfertigt.

1. Die Beklagte ist gem. § 651 f. Abs. 1 i.V.m. §§ 253, 278 BGB verpflichtet, dem Kläger, der als Mitreisender in die Schutzwirkung des von seiner Mutter abgeschlossenen Reisevertrages einbezogen war, ein Schmerzensgeld von 10.000 EUR zu zahlen.

Ein Reiseveranstalter schuldet aufgrund seiner Obhuts- und Fürsorgepflichten Abwehrmaßnahmen gegen solche mit den Reiseleistungen verbundenen Gefahren, mit denen der Reisende nicht zu rechnen braucht und die er deshalb nicht willentlich in Kauf nimmt. Deshalb stellen auch Beeinträchtigungen infolge von Sicherheitsdefiziten im Verantwortungsbereich des Reiseveranstalters, d.h. infolge einer Verletzung einer Verkehrssicherung...

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