Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensrecht: Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten nach "Unfallersatztarif"

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Entwicklung der Rechtsprechung des 6. Zivilsenats des BGH bis Mitte 2006 zur Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten nach Verkehrsunfall aufgrund eines "Unfallersatztarifs".

2. Ein Fall, in dem der Abrechnung der Mietwagenkosten ein "Unfallersatztarif" trotz deutlicher Überteuerung gegenüber einem "Normaltarif" zugrunde zu legen ist, weil die subjektbezogene Schadensbetrachtung zu dem Ergebnis führt, dass dem Geschädigten nach den konkreten Umständen des Einzelfalls ein wesentlich günstigerer Tarif nicht ohne weiteres zugänglich war.

 

Normenkette

BGB §§ 249 ff.

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Urteil vom 16.02.2006; Aktenzeichen 1 O 458/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 16.2.2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des LG Aachen - 1 O 458/05 - unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 2.930,18 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2.10.2005 zu zahlen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die im ersten Rechtszug entstandenen Kosten tragen die Klägerin zu 13 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 87 %. Die Kosten des Berufungsrechtsstreits werden der Klägerin zu 6 % und den Beklagten als Gesamtschuldnern zu 94 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen eines Verkehrsunfalls vom 23.6.2005 in L., bei dem ihr Pkw der Marke Mazda Typ 626 2,5i-V6 schwer beschädigt wurde, gesamtschuldnerisch auf Sachschadensersatz in Anspruch, und zwar den Beklagten zu 1) als Halter, den Beklagten zu 2) als Fahrer und die Beklagte zu 3) als Haftpflichtversicherer eines Lkw. Die Haftung der Beklagten für den Unfallschaden steht dem Grunde nach außer Streit.

Die Klägerin hat den ihr entstandenen Unfallschaden auf Wiederbeschaffungsbasis mit einem Betrag von 8.518,51 EUR berechnet. Nach Abzug von Zahlungen der Beklagten zu 3) in der Höhe von 3.309 EUR mit Gutschriftdaten vom 20.07. bis 31.8.2005, in Höhe weiterer 524,14 EUR am 4.10.2005, insoweit sie den Rechtsstreit in der Hauptsache - einseitig - für erledigt erklärt hat, und schließlich in Höhe weiterer 1.581 EUR unmittelbar an das Mietwagenunternehmen am 9.9.2005 hat die Klägerin erstinstanzlich zuletzt noch einen Zahlungsantrag in der Höhe von 3.104,37 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit verfolgt.

Die Parteien haben in erster Linie über die Ersatzfähigkeit der nach einem sog. Unfallersatztarif berechneten Mietwagenkosten über den von den Beklagten zuerkannten Betrag von 1.581 EUR hinaus gestritten. Insoweit war und ist unstreitig:

Der Unfall ereignete sich am Nachmittag des 23.6.2005, einem Donnerstag. Bei dem beschädigten Pkw der Klägerin handelte es sich um das einzige Fahrzeug der Familie, die auf diesen zur Wiederherstellung ihrer Mobilität angewiesen war. Die Beschädigung führte zu einem verkehrsunsicheren Zustand. Die Klägerin hatte mit einem solchen Schadensfall bis dahin nie etwas zu tun gehabt. Am Morgen des nächsten Tages, einem Freitag, mietete sie bei der streitverkündeten Firma T. Autovermietung GmbH in B. einen Ersatzwagen zum Unfallersatztarif an; die Streitverkündete bietet Mietwagen nur zum Unfallersatztarif an. Bei dem Ersatzwagen handelte es sich wie bei dem unfallbeschädigten Pkw der Klägerin um ein Fahrzeug der Nutzungsklasse 7. Am selben Tag beauftragte die Klägerin einen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen zur Begutachtung ihres Pkw. In seinem schriftlichen Gutachten vom 27.6.2005, der Klägerin am 28.6.2005, einem Dienstag, zugegangen, gelangte der Sachverständige zu einer Reparaturkostenkalkulation i.H.v. 4.701,33 EUR brutto, einem Wiederbeschaffungswert von 3.800 EUR und einem Fahrzeugrestwert von 400 EUR; die Wiederbeschaffungszeit gab er in der Zusammenfassung auf S. 1 des Gutachtens mit ca. 10 Werktagen und im Anschluss an die Bewertung auf S. 6 mit ca. 12 bis 14 Werktagen an. Am 13.7.2005 gab die Klägerin den Ersatzwagen zurück. Unter dem 14.7.2005 berechnete ihr die Streitverkündete einen Bruttobetrag von 4.385,22 EUR, der sich aus dem Nettomietzins für 20 Tage von 3.754,36 EUR, den Nettokosten für Zustellung/Abholung i.H.v. 26 EUR und der gesetzlichen Mehrwertsteuer von 16 % zusammensetzt.

Die Parteien haben ferner darüber gestritten, ob eine Anmietung über die Dauer von 20 Tagen erforderlich gewesen ist und ob sich die Klägerin wegen der Anmietung eines klassegleichen Fahrzeugs eine Kürzung der Mietwagenkosten wegen ersparter Eigenaufwendungen i.H.v. mindestens 10 % anrechnen lassen muss. Schließlich haben die Beklagten behauptet, die Beklagte zu 3) habe auf den Schaden Zahlungen von insgesamt 5.997,04 EUR und damit 582,90 EUR mehr als von der Klägerin zugestanden erbracht.

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