Entscheidungsstichwort (Thema)

Internationale Zuständigkeit; Gesamtschuldner

 

Leitsatz (amtlich)

Werden mehrere Personen als Gesamtschuldner in Anspruch genommen, besteht ein gemeinsamer internationaler Gerichtsstand bei jedem Gericht, das für den Wohnsitz eines der Gesamtschuldner zuständig. Dies gilt auch dann, wenn sich die Haftung der verschiedenen Gesamtschuldner nach unterschiedlichen Rechtsordnungen richtet.

 

Normenkette

EuGVVO Art. 6 Nr. 1; LugÜ Art. 6 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 23.07.2008; Aktenzeichen 14 O 450/06)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 30.11.2009; Aktenzeichen II ZR 55/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Teilurteil des LG Köln vom 23.7.2008 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Berufung an das LG Köln zurückverwiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Entscheidung des LG, dass die internationale Zuständigkeit des LG Köln für die Klage gegen den Beklagten zu 3), der seinen Wohnsitz in der Schweiz hat, nicht gegeben sei.

Die Klägerin geht aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes vor. Dieser hatte im Jahre 2005 von der Beklagten zu 2), einer Aktiengesellschaft schweizer Rechts mit Sitz in I/Schweiz, unter ihrer damaligen Firma "O", die Aktien der T Consulting AG erworben. Die Beklagte zu 2) war dabei durch den Beklagten zu 1) vertreten worden. Der Beklagte zu 3) war im Jahre 2005 Verwaltungsrat der Beklagten zu 2) und auch Verwaltungsrat der T Consulting AG.

Am 11.5.2005 übergab der Ehemann der Klägerin dem Beklagten zu 1) 210.000 EUR in bar, die als Darlehen für die T Consulting AG bestimmt waren. Der Beklagte zu 1) quittierte für die Beklagte zu 2) den Empfang und versprach die Weiterleitung auf das Konto der T Consulting AG, was jedoch nicht geschehen ist. Der Beklagte zu 1) wurde zwischenzeitlich u.a. wegen Veruntreuung dieses Betrages zu einer Freiheitsstrafe verurteilt (106-11/06 LG Köln).

Die Klage war zunächst nur gegen den Beklagten zu 1) gerichtet. Mit Schriftsatz vom 7.8.2007 wurde sie gegen die Beklagte zu 2) erweitert. Mit weiterem Schriftsatz vom 11.9.2007 wurde die Klage auch gegen den Beklagten zu 3) erhoben. Die Klägerin stützt die Klage gegen den Beklagten zu 3) darauf, dass die Geldübergabe am 11.5.2005 an den Beklagten zu 1) in dem Büro des Beklagten zu 3) in C/Schweiz erfolgte und dieser Kenntnis hiervon hatte. Sie leitet ihren Anspruch aus Art. 41 Abs. 1 754 Abs. 1 OR her und meint, die Pflichtverletzung des Beklagten zu 3) liege darin, dass er das Geld vom Ehemann der Beklagten, das für die T Consulting AG bestimmt gewesen sei, nicht selbst entgegengenommen und quittiert habe. Außerdem habe er es unterlassen, den Ehemann der Klägerin auf die ihm bekannte Unzuverlässigkeit des Beklagten zu 1) hinzuweisen.

Der Beklagte zu 3) verteidigt sich u.a. damit, dass er die fehlende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die gegen ihn erhobene Klage rügt.

Das LG hat die Klage gegen den Beklagten zu 3) durch Teilurteil als unzulässig abgewiesen, weil es dessen Auffassung zur fehlenden internationalen Zuständigkeit gefolgt ist. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrages, der gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung wendet sich die Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil. Sie vertritt die Auffassung, dass die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts auch in Bezug auf den Beklagten zu 3) gegeben sei; sie ergebe sich aus Art. 6 Nr. 1 des Übereinkommenens von Lugano (LugÜ).

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Teilurteils den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückzuverweisen.

Der Beklagte zu 3) verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

II. Die Berufung ist zulässig und begründet. Das angefochtene Teilurteil ist deshalb aufzuheben und der Rechtsstreit gem. § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO - entsprechend dem Antrag der Klägerin - an das LG zurückzuverweisen. Entgegen der vom LG in Übereinstimmung mit dem Beklagten zu 3) vertretenen Auffassung ist seine internationale Zuständigkeit gegeben; sie ergibt sich aus Art. 6 Nr. 1 LugÜ.

1. Nach dem Wortlaut von Art. 6 Nr. 1 LugÜ, der mit Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ übereinstimmt, bestehen gegen die internationale Zuständigkeit des LG Köln keine Bedenken, denn dieser stellt lediglich darauf ab, dass "mehrere Personen zusammen verklagt werden". Entgegen der Auffassung des Beklagten zu 3) erfordert dies nicht, dass die Klage von vorneherein gegen alle Beklagten erhoben wird. Erfasst werden vielmehr auch die Fälle der nachträglichen Klageerweiterung (vgl. Geimer, in: Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl. 2004, Art. 6 EuGVVO, Rz. 24; Stadler, in: Musielak, ZPO, 6. Aufl. 2008, Art. 6 EugVVO, Rz. 2).

2a) Es war jedoch allgemein anerkannt, dass der ...

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