Leitsatz (amtlich)

Die Regelungen über die Nachrangigkeit kapitalersetzender Gesellschafterdarlehen gem. §§ 32a, 32b GmbH a.F., § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO a.F. gehören zum deutschen Insolvenzrecht. Sie finden deshalb auch auf ein im Inland durchgeführtes Insolvenzverfahren einer Gesellschaft mit Satzungssitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Anwendung.

 

Normenkette

GmbH § 32; InsO § 39; EulnsVO Art. 4

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 04.12.2009; Aktenzeichen 87 O 209/08)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 21.07.2011; Aktenzeichen IX ZR 185/10)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Köln vom 4.12.2009 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheitsleistung i.H.v. 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Frage, ob der Beklagte verpflichtet ist, Darlehensforderungen der Klägerin gegen die Schuldnerin in einer Gesamthöhe von über 80 Mio. EUR zur Tabelle festzustellen.

Die Schuldnerin wurde im Jahre 2005 als Gesellschaft luxemburgischen Rechts (Société anonyme) gegründet. Ihren Satzungssitz hat sie in M./Luxemburg. Dort befand sich zunächst auch ihre Verwaltung. Die Schuldnerin ist als Holdinggesellschaft an einer Vielzahl von Gesellschaften in Deutschland beteiligt, die Post- und Logistikdienstleistungen erbringen (PIN-Group). Das Gesellschaftskapital beläuft sich auf 28.657.082,50 EUR; Hauptgesellschafterin der Schuldnerin mit einem Anteil von 63,7 % ist die Klägerin.

Im November 2007 hatte die Bundesregierung beschlossen, im Briefzustellbereich einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Dies nahm die Schuldnerin Anfang Dezember 2007 zum Anlass, die Unternehmensberatungsgesellschaft S. C. mit der Prüfung der Frage zu beauftragen, welche Folgerungen sich hieraus für sie ergeben würden. Die Beratungsgesellschaft kam zu dem Ergebnis, dass eine erfolgversprechende Fortführung des Unternehmens weitere Investitionen in einer Größenordnung von 320 Mio. EUR erfordere (Anlagen KE 17, KE 9, S. 8). Die Klägerin war nicht bereit, diese Mittel aufzubringen, was den damaligen delegierten Verwaltungsrat (CEO) der Schuldnerin zum Rücktritt veranlasste. Die Gesellschafter der Schuldnerin bestellten daraufhin Rechtsanwalt Q. und Herrn A. zu neuen delegierten Verwaltungsräten und übertrugen diesen die Geschäftsführung. Diese wurde fortan aus den Kölner Büroräumen der Unternehmensberatung A. & Partner heraus ausgeübt. Am 25.1.2008 stellte die Schuldnerin Insolvenzantrag beim AG Köln. Dieser führte durch Beschluss vom 15.2.2008 (73 IE 1/08) zur Insolvenzeröffnung und Bestellung des Beklagten zum Insolvenzverwalter; zwischenzeitlich wurde darüber hinaus in Luxemburg ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet.

Die Klägerin hat der Schuldnerin in der Zeit zwischen März 2007 und dem 13.12.2007 Darlehen i.H.v. insgesamt 79.020.000 EUR gewährt, wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlagen K 6 - K 13 vorgelegten Darlehensverträge Bezug genommen. Während das erste Darlehen über 15 Mio. EUR unbefristet war, waren alle weiteren Darlehen bis zum 31.12.2007 befristet. Eine Rückzahlung erfolgte zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht, vielmehr vereinbarten die Klägerin und die Schuldnerin am 28.12.2007/9.1.2008 die Stundung der Rückzahlung bis zum 15.1.2008 (Anlage K 15). Darüber hinaus wurde folgende Vereinbarung getroffen:

"Die Stundung endet, falls die Schuldnerin vor dem 15.1.2008 Insolvenzantrag stellt."

Mit Vereinbarung vom 15.1.2008 wurde die Stundung unter Einbeziehung eines entsprechenden Vorbehalts durch Vereinbarung vom 15.1.2008 bis zum 31.1.2008 verlängert (Anlage K 16).

Am 22.4.2008 hat die Klägerin ggü. dem Beklagten die aus vorstehenden Darlehen resultierenden Rückzahlungs- und Zinsansprüche in einer Gesamthöhe von 81.449.048,97 EUR angemeldet (Anlage K 1). Der Beklagte hat die Forderungen nicht zur Tabelle festgestellt, sondern in voller Höhe bestritten, weil sie als kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen nur nachrangig zu befriedigen seien (Anlage KE 22).

Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihre Darlehensrückzahlungsansprüche nicht nachrangig seien, weil auf die Schuldnerin als Gesellschaft luxemburgischen Rechts die deutschen Regelungen über das Kapitalersatzrecht keine Anwendung fänden. Diese seien gesellschaftsrechtlicher und nicht insolvenzrechtlicher Natur. Die Darlehen hätten aber auch keinen eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt, weil die Schuldnerin zu keinem Zeitpunkt kreditunwürdig gewesen sei. Die bestehenden, nicht voll ausgeschöpften Kreditlinien hätten bis zuletzt fortbestanden.

Der Beklagte meint dagegen, dass die Klägerin gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nur nachrangige Befriedigung verlangen könne. Die deutschen Kapitalersatzregeln seien insolvenzrechtlic...

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