Leitsatz (amtlich)

Die Vereinbarung eines deutschen Gerichtsstandes begründet allein keinen An-spruch Erstattung der Anwaltskosten, die durch eine der internationalen Gerichts-standvereinbarung zuwiderlaufende gerichtliche Inanspruchnahme im Ausland (hier in den USA) entstanden sind.

 

Normenkette

EuGVVO Art. 25

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Aktenzeichen 16 O 41/16)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 17.10.2019; Aktenzeichen III ZR 42/19)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 08.11.2017 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn - Az. 16 O 41/16 - abgeändert und wie folgt insgesamt neu gefasst:

Klage und Widerklage werden abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird im Hinblick auf die Widerklage zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin gehört zur weltweit tätigen A Unternehmensgruppe und ist Telekommunikations-Dienstleister. Die Beklagte ist das größte europäische Telekommunikationsunternehmen. Die Parteien verbindet das Internet Peering Agreement vom 01.10.2003/11.12.2003. Dieser Vertrag wurde seinerzeit geschlossen zwischen der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der B GmbH. In diesem Vertrag verpflichteten sich die Parteien wechselseitig, den Datenverkehr der jeweils anderen Partei aufzunehmen, in ihrem Netzwerk an die über das Netzwerk angeschlossenen Kunden weiter zu transportieren und dabei kostenlos für ausreichende Übertragungskapazität zu sorgen. Der Vertrag regelt in § 14 (3): "This Agreement shall be subject to the law of the Federal Republic of Germany. C shall be the place of jurisdiction." Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Internet Peering Agreement (Anlage K 1) Bezug genommen.

Nachdem die Klägerin in den ersten Vertragsjahren ein größeres Datenvolumen in das Netz der Beklagten einspeiste als umgekehrt, kam es zu Verhandlungen über die kostenlose Aufstockung von Übertagungskapazitäten zugunsten der Klägerin. Die Klägerin versuchte zunächst, ihr Begehren über die Einschaltung der deutschen Regulierungsbehörde und mit dem Vorwurf eines Verstoßes gegen EU-Kartellrecht zu realisieren, allerdings ohne Erfolg. 2016 unternahm die Klägerin den Versuch einer gerichtlichen Klärung und erhob Klage gegen die Beklagte in D (USA) ohne sich ausdrücklich auf das Internet Peering Agreement zu berufen. Sie ging davon aus, dass eine US-amerikanische Zuständigkeit mittels der amerikanischen Peering Punkte nach dortigem Zivilprozessrecht bestünde. Nachdem die Beklagte sich mit Vorlage des Internet Peering Agreements und unter Berufung auf die in § 14 (3) enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung gegen die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts verteidigt hatte, wurde die Klage wegen fehlender Zuständigkeit des angerufenen US-amerikanischen Gerichts abgewiesen.

Die Klägerin hat sodann vor dem Landgericht mit der erhobenen Leistungs-, Feststellungs- und Schadensersatzklage begehrt, die Beklagte aus dem Internet Peering Agreement zu verpflichten, Übertragungskapazitäten zum Austausch von Telekommunikations-Datenverkehr aus dem und in das Netz der Klägerin in einem solchen Umfang zur Verfügung zu stellen, dass dauerhaft eine bestimmte Auslastung gewährleistet ist, die die Bedürfnisse der Klägerin abdeckt.

Mit ihrer im Berufungsrechtszug allein streitgegenständlichen Widerklage hat die Beklagte Schadensersatz begehrt und hierzu behauptet, ihr seien für die Verteidigung gegen die Klage in den USA Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 196.118,03 USD entstanden. Sie ist der Auffassung, die Klägerin sei ihr gegenüber schadensersatzpflichtig, weil sie entgegen der Vereinbarung des Gerichtsstands C vor einem unzuständigen Gericht geklagt und dadurch schuldhaft ihre Pflichten aus dem Internet Peering Agreement verletzt habe. Sie hat insoweit im Rahmen der Widerklage beantragt, die Klägerin zu verurteilen, an sie 196.118,03 USD nebst Zinsen in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit (10.04.2017) zu zahlen.

Die Klägerin hat demgegenüber die Abweisung der Widerklage beantragt und hierzu die Auffassung vertreten, der Gerichtsstandsvereinbarung komme lediglich prozessuale Wirkung zu. Eine Schadensersatzverpflichtung folge aus ihrer Missachtung nicht. Die Klägerin hat darüber hinaus Einwendungen gegen die Höhe der Schadensersatzforderung erhoben und in diesem Zusammenhang bestritten, dass der abgerechnete Stundenaufwand und die ihr insoweit entstandenen Kosten auf die behauptete Pflichtverletzung zurückzuführen gewesen seien, da die Tätigkeit der US-amerikanischen Rechtsanwälte der Beklagten sich im Wesentlichen auf die Erarbeitung materieller Rechtsfragen und nicht allein auf die entscheidungserheblic...

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