Normenkette

BGB §§ 305, 312g Abs. 1, § 355 Abs. 3, § 356 Abs. 4, § 626 Abs. 1, § 627 Abs. 1, § 628 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Aktenzeichen 8 O 332/18)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23.10.2019 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 8 O 332/18 - teilweise abgeändert und unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.139,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.06.2018 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz hat die Klägerin 15%, die Beklagte 85% zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten, die eine Partnervermittlungsagentur betreibt, Rückzahlungen aus einem Partnervermittlungsvertrag.

Die Klägerin wurde im Jahr 1942 geboren und ist seit Jahren alleinstehend. Auf eine Zeitungsannonce vom 27.05.2018, die sie sehr ansprach, meldete sie sich telefonisch am selben Tag bei der Beklagten. Bei dem persönlichen Besuch eines Mitarbeiters am 28.05.2018 schloss sie mit der Beklagten einen Partnervermittlungsvertrag zu einem Preis von 8.500 Euro. Wegen eines Nachlasses von 3% zahlte sie 8.330,00 Euro in bar am 29.05.2018. Im Gegenzug sollte sie binnen vier Wochen ein Depot mit 21 Partnervorschlägen erhalten, die über einen Zeitraum von zwölf Monaten abrufbar sein sollten, sowie ein eigenes Partnerschaftsprofil. Zeitgleich mit dem Vermittlungsvertrag wurde der "einvernehmliche Ausschluss des Kündigungsrechts" vereinbart (Anlage 2 der Beklagten). Außerdem wurde die Klägerin über ihr Widerrufsrecht belehrt und unterzeichnete folgende Angabe (Anlage 7 der Beklagten):

"Ich wünsche ausdrücklich, dass die Partnervermittlung A GmbH mit ihrer Dienstleistung aus dem Partnervermittlungsvertrag sofort beginnt.

Mir ist bewusst, dass ich mein Widerrufsrecht verliere, wenn der Vertrag seitens der Partnervermittlung vollständig erfüllt ist."

Mit vom 29.05.2018 datierendem Schreiben wurden der Klägerin zunächst drei vollständige Kontakte übermittelt, an die sie sich wandte, die jedoch nicht erfolgreich waren. Sie "kündigte" daraufhin am 04.06.2018 den Vertrag schriftlich. Unmittelbar danach, nämlich mit Schreiben datierend vom 5.6.2018, erhielt sie noch 17 weitere Kontaktvorschläge.

Die Klägerin hat erstinstanzlich Rückzahlung des gesamten an die Beklagte entrichteten Betrages in Höhe von 8.330,00 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank seit dem 20.06.2018 begehrt.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, nach den ihres Erachtens wirksamen vertraglichen Vereinbarungen nicht zur Rückzahlung verpflichtet zu sein.

Mit Urteil vom 23.10.2019 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es ist dabei der Argumentation der Beklagten gefolgt, wonach der Klägerin ein Anspruch auf Rückzahlung des für die Partnervermittlung gezahlten Betrages aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehe.

Ein Anspruch aus § 355 Abs. 3 S. 1 BGB i.V.m. § 312 g Abs. 1 BGB bestehe nicht, da das Widerrufsrecht der Klägerin nach § 356 Abs. 4 S. 1 BGB dadurch erloschen sei, dass sie als Unternehmerin die Dienstleistung bereits vollständig erbracht und mit der Erbringung der Ausführung erst begonnen habe, nachdem die Klägerin als Verbraucherin nach Aufklärung ihre ausdrückliche Zustimmung gegeben habe (siehe Anlage 7 der Beklagten). Nach dem Wortlaut des Vertrages sei Hauptschuld die Erstellung des Partnerdepots bestehend aus 21 Partnervorschlägen binnen vier Wochen. Die Klägerin habe dann die Möglichkeit gehabt, innerhalb der Vertragslaufzeit von zwölf Monaten die Vorschläge jederzeit abzurufen. Es sei gerade nicht notwendig gewesen, dass die Klägerin selbst schon alle 21 Namen und Adressen erhalten habe. Ausreichend sei die Erstellung des Depots gewesen. Damit habe sie, die Beklagte, ihre Leistungsplicht im Sinne des § 356 Abs. 4 S. 1 BGB vollständig erfüllt. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass das Depot insgesamt schon zum 29.05.2018 erstellt gewesen sei - also vor Absendung der "Kündigung".

Ein Anspruch aus § 628 Abs. 1 S. 3 BGB i.V.m. §§ 627 Abs. 1, 626 Abs. 1 BGB bestehe ebenfalls nicht, da der Klägerin weder ein Kündigungsrecht nach § 627 BGB noch nach § 626 BGB zustehe. Ein Kündigungsrecht nach § 627 BGB sei durch die Zusatzvereinbarung zum Ausschluss des Kündigungsrechts (Anlage 2 der Beklagten) wirksam ausgeschlossen worden. Bei § 627 BGB handele es sich um eine dispositive Regelung, die zwar nicht durch AGB, doch aber durch einzelvertragliche Abrede abbedungen werden könne. Eben dies sei hier geschehen. Die ...

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