Entscheidungsstichwort (Thema)

Ungültige UVP auf Amazon Marketplace

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wenn aufgrund der bei Verfahrenseinleitung vorliegenden Begleitumstände nicht festgestellt werden kann, dass mit der Geltendmachung des Unterlassungsanspruches überwiegend sachfremde Ziele verfolgt worden sind, wird die Durchführung und weitere Verfolgung des streitgegenständlichen Anspruchs auch im gerichtlichen Verfahren ungeachtet später neu hinzutretender Umstände regelmäßig nicht rechtsmissbräuchlich.

2. Eine Preisempfehlung ist entfallen, wenn ein nicht in aktuellen Katalogen gelistetes Uhrenmodell nach Auskunft des Herstellers "nicht mehr zum aktiven Sortiment gehört, aber Bestandteil des Gesamtsortiments bleibt".

3. Ein Verkäufer haftet für den Inhalt seiner eigenen Angebote auf der Plattform "Amazon Marketplace" auch dann als Täter, wenn er sich an ein bereits bestehendes Produktangebot im Wege des automatisierten Verfahrens über die ASI-Nr. anhängen musste und die dort befindliche, nicht mehr gültige unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers (UVP) vom Plattformbetreiber eingestellt worden war.

 

Normenkette

UWG § 8 Abs. 4, § 5 Abs. 1, § 5 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 02.10.2014; Aktenzeichen 81 O 72/14)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 03.03.2016; Aktenzeichen I ZR 110/15)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 2.10.2014 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Köln - 81 O 72/14 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Dieses Urteil und das des LG sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit leisten. Die Höhe der zu leistenden Sicherheit beträgt bezüglich des Unterlassungsgebots 20.000 EUR, im Übrigen 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

(anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gem. § 540 Abs. 1 ZPO)

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung irreführender Werbung mit einer unverbindlichen Preisempfehlung sowie Zahlung von Abmahnkosten und Kosten für ein Abschlussschreiben in Anspruch. Beide Parteien handeln u.a. mit Uhren im Internet. Es handelt sich um das Hauptsacheverfahren zu dem einstweiligen Verfügungsverfahren LG Köln Az. 81 O 87/13 (= Senat Az. 6 U 178/13).

Die Klägerin beanstandet das nachfolgend wiedergegebene Angebot auf der Internetplattform der Firma Amazon vom 2.7.2013 für das Uhrenmodell "Casio Collection Herren-Armbanduhr Solar-Kollektion Digital Quarz AL-190WD-1AVEF":

((Abbildung))

als irreführend mit der Begründung, die dort angegebene UVP habe zum Angebotszeitpunkt tatsächlich nicht bestanden.

Der Handel der Beklagten als Amazon-Marketplace-Teilnehmerin funktioniert wie folgt: Die Produkte werden automatisiert auf der Plattform von Amazon eingestellt. Für jedes identische Produkt wird eine sog. ASI-Nummer (ASIN) vergeben, um ein einheitliches und übersichtliches Produktangebot zu gewährleisten. Verkäufer, die ein identisches Produkt anbieten, für das bereits eine ASIN vergeben ist, müssen ihr Angebot ebenfalls unter dieser ASIN listen. Wird ein Händler als Verkäufer des Produkts gelistet, gibt er in die Eingabemaske den eigenen Verkaufspreis ein. Die Verwaltung des Angebots durch die Beklagte erfolgt sodann im Hintergrund über eine mit der Amazon-Datenbank kommunizierende Software; dabei werden jedoch nur die händlerseits veränderbaren Daten erfasst und abgeglichen. Im Gegensatz zu allgemeinen Produktinformationen, die von jedem Amazon-Marketplace-Teilnehmer für sein Angebot eingestellt werden können, ist die Angabe einer unverbindlichen Preisempfehlung ausschließlich Amazon technisch möglich, d.h. UVP-Angaben können allein von Amazon hochgeladen und verändert werden.

Nach erfolgloser vorangegangener Abmahnung hat die Klägerin beim LG unter dem 22.7.2013 eine einstweilige Verfügung - Az. 81 O 87/13 - erwirkt; diese hat die Kammer auf Widerspruch der Beklagten aufgehoben und den auf Erlass der einstweiligen Verfügung gerichteten Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hatte Erfolg; der Senat hat durch Urteil vom 28.5.2014 (Az. 6 U 178/13) die einstweilige Verfügung antragsgemäß erlassen.

Im Zusammenhang mit der Berufungsverhandlung in dem einstweiligen Verfügungsverfahren teilte der Beklagtenvertreter dem Klägervertreter mit, die Sache solle im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Der Klägervertreter bat darum, zunächst den Fortgang in einer Parallelsache abzuwarten. Im Gegenzug bat der Beklagtenvertreter darum, nicht zur Abgabe einer Abschlusserklärung aufzufordern, was auch zugesagt wurde. Dennoch forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 16.6.2014 zur Abgabe einer Abschlusserklärung auf.

Die Klägerin hat behauptet, zum Angebotszeitpunkt habe für das fragliche Uhrenmodell keine unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers bestanden. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte könne ihre Verantwo...

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