Tatbestand

Der Kläger betreibt seit vielen Jahren in B. eine Einzelpraxis als Frauenarzt. Er verlangt Entschädigung nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz wegen unschuldig erlittener Strafverfolgungsmaßnahmen.

Die Staatsanwaltschaft B. leitete im Oktober 1986 gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen betrügerischer Abrechnungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen ein. Sie beschlagnahmte am 21.01.1987 weitgehende Teile seiner Patientenkartei, und zwar sowohl der Kassen- als auch der Privatpatienten. Vom 27.02. bis 12.03.1987 befand sich der Kläger in Untersuchungshaft. Die 7. große Strafkammer des LG B. sprach den Käger mit Urteil vom 26.11.1990 von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen weitgehend frei und verurteilte ihn wegen betrügerischer Manipulationen bei Sprechstundenbedarfsverordnungen lediglich zu einer Geldstrafe in Höhe von 4.500,00 DM. Die beschlagnahmten Patientenunterlagen erhielt der Kläger am 25.07.1991 zurück.

Das LG B. ordnete mit Beschluß vom 27.03.1992 an, daß der Kläger zu entschädigen sei für den Vollzug der Untersuchungshaft, die Leistung einer Sicherheit in Höhe von 400.000,00 DM sowie die Sicherstellung und Beschlagnahme vom 21.01.1987. Am 10.07.1992 ließ der Kläger bei der Staatsanwaltschaft B. Ansprüch auf Entschädigung geltend machen, die er mit insgesamt rund 1,36 Millionen DM bezifferte. Größter Einzelposten war der von ihm verlangte Ausgleich für den persönlichen Aufwand zur Rekonstruktion der Patientenkartei, den er per Stundenlohn auf rund 1,1 Millionen DM berechnete (vgl. BA 27).

Das Justizministerium des beklagten Landes setzte mit Bescheid vom 04.05.1994 den Entschädigungsbetrag auf 33.701,66 DM fest (GA 14). Der durch die Freiheitsentziehung entstandene immaterielle Schaden wurde mit 280,00 DM entschädigt. Der im Zusammenhang mit der Kautionsleistung entstandene Zinsschaden wurde mit 34.425,21 DM ausgeglichen; darüber hinaus wurden Kopierkosten in Höhe von 150,00 DM erstattet. Zuzüglich der anwaltlichen Kosten für die Vertretung des Klägers im Entschädigungsverfahren, aber nach Abzug eines in dem Beschluß des LG B. vom 27.03.1992 genannten Betrages von 2.100,00 DM verblieb ein Festsetzungsbetrag von 33.701,66 DM.

Der Bescheid des Justizministeriums wurde dem Kläger am 26.05.1994 zugestellt. Mit der am 26.08.1994 eingereichten und dem beklagten Land am 05.10.1994 zugestellten Klage hat er eine weitere Entschädigung in Höhe von 227.069,00 DM nebst 7 % Rechtshängigkeitszinsen verlangt. Insoweit hat er einen Ausgleich in Höhe von 83.069,00 DM wegen Umsatzverlusten verlangt. Zur Grundlage seiner Berechnung hat er den durchschnittlichen Jahresumsatz der Kassenpatientinnen in den drei Jahren vor Beginn der Strafverfolgungsmaßnahmen gemacht; dieser Durchschnittsumsatz sei erst 1990 wieder überschritten worden. Zum anderen habe er in den Jahren 1987 bis 1989 einen Mehraufwand von mindestens 1.440 Stunden aufbringen müssen, um die beschlagnahmte Patientenkartei durch langwierige Befragung der Patienten und Nachfrage bei Kollegen und Krankenkassen rekonstruieren zu können. Aus Gründen äußerster Vorsicht hat der Kläger als Stundenlohn nicht den von ihm für angemessen erachteten, weil seinen sonstigen durchschnittlichen Einkünften entsprechenden Stundensatz von 240,00 DM geltend gemacht, sondern nur einen an § 3 ZSEG orientierten Stundensatz von 100,00 DM. Die Kosten der Mehraufwendungen hat er daher mit 144.000,00 DM veranschlagt.

Wegen weiterer Einzelheiten der Schadensberechnung wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage (nur) in Höhe von 12.000,00 DM nebst Rechtshängigkeitszinsen stattgegeben. Eine Entschädigung wegen Umsatzrückgangs stehe dem Kläger nicht zu, da er angesichts des Umsatzrückganges im Jahre 1986 nicht dargelegt habe, daß der - weitere - Umsatzrückgang im Jahre 1987 durch die Strafverfolgungsmaßnahmen bedingt gewesen sei. Die (überobligationsmäßigen) Mehraufwendungen für die Wiedererstellung der Patientinnenkartei hat die Kammer auf 120 Stunden geschätzt (§ 287 ZPO) und dafür den begehrten Stundensatz von 100,00 DM zugesprochen. Gegen das ihm am 04.04.1995 zugestellte Urteil hat das beklagte Land mit einem am 04.05.1995 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die es nach Fristverlängerung bis zum 10.08.1995 mit einem am 26.07.1995 eingegangenen Schriftsatz begründet hat. Das beklagte Land vertieft seine bereits erstinstanzlich vertretene Auffassung, daß dem Kläger kein rechtlich erheblicher Vermögensschaden entstanden sei. Weder die zeitweilige Beeinträchtigung bei der Nutzung der Gebrauchsvorteile der Kartei noch der außerhalb der üblichen Arbeitszeiten entfaltete Arbeitsaufwand seien ein materieller Schaden. Immaterieller Schaden sei außerhalb der eigentlichen Haftentschädigung (§ 7 StrEG) nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz nicht erstattungsfähig.

Das beklagte Land beantragt,

unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt die Zurückweisu...

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