Leitsatz (amtlich)

›1. Schmerzensgeld von 20.000 DM für Verlust eines Hodens als Folge eines Pistolenschusses bei nicht unerheblichem Mitverschulden des Geschädigten (Student) ohne Beeinträchtigung der Zeugungsfähigkeit.

2. Dem Geschädigten, der sich als Nebenkläger dem Strafverfahren gegen den Schädiger anschließt, steht ein zivilrechtlicher Anspruch auf Ersatz der ihm hierdurch entstandenen Kosten nicht zu, gleichgültig ob das Strafverfahren eingestellt worden ist oder zu einer Verurteilung des Schädigers geführt hat.‹

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 23 O 100/95)

 

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist jedenfalls insoweit nicht begründet, als sie sich gegen die Beklagten zu 1., 2. und 5. richtet und mit ihr Zahlungsansprüche gegenüber den Beklagten zu 3. und 4. verfolgt werden, die über den Betrag hinausgehen, den das Landgericht dem Kläger gegen den Beklagten zu 3. zugesprochen hat. Zur Begrenzung des Streitstoffes und Vermeidung unnötiger Kosten erachtet der Senat es für sachgerecht, insoweit Teilurteil gemäß § 301 ZPO zu erlassen.

1. Eine gesamtschuldnerische Haftung aller 5 Beklagten nach §§ 830 Abs. 1, 840 BGB besteht nicht.

a) Nach § 830 Abs. 1 S. 1 BGB haftet jeder an einer gemeinschaftlich begangenen unerlaubten Handlung Beteiligte für den Schaden, der aus dieser Handlung resultiert. Erfaßt wird durch diese Vorschrift das vorsätzliche Zusammenwirken mehrerer Personen, wobei es im Hinblick auf Abs. 2 nicht darauf ankommt, ob diese als Mittäter, Anstifter oder Gehilfen mitwirken. Die Voraussetzungen für ein derartiges Zusammenwirken hat der Kläger aber nicht schlüssig dargetan. Aus seinem Vortrag ergibt sich lediglich, daß entweder der Beklagte zu 3. oder der Beklagte zu 4. auf ihn geschossen hat. Für eine Mitwirkung der übrigen Beklagten an dieser unerlaubten Handlung, etwa in der Art, daß sie den Schützen angestiftet haben, ihm behilflich waren o.ä. ist jedoch nichts ersichtlich. Auch nach dem Vortrag des Klägers ist es vielmehr durchaus möglich, daß der Schütze als Einzeltäter gehandelt hat und hierbei von den übrigen Beklagten weder physisch noch psychisch unterstützt worden ist. Daß die übrigen Beklagten ihn im Laufe des Ermittlungsverfahrens möglicherweise gedeckt oder zu seinen Gunsten falsche Angaben gemacht haben, ist entgegen der Auffassung des Klägers für die Haftung bezüglich der Tatfolgen ohne jeden Belang und läßt auch nicht den Schluß zu, daß sie von vornherein seine Tat in irgendeiner Weise unterstützt oder gefördert haben. Die Unterstützung nach der Tat läßt sich zwanglos aus der engen familiären Bindung erklären und rechtfertigt keine weitergehenden Schlüsse.

b) Auf die Vorschrift des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB kann der Kläger sich ebenfalls nicht mit Erfolg berufen. Diese Bestimmung greift nur dann ein, wenn feststeht, daß mehrere Personen eine unerlaubte Handlung begangen haben, sich aber nicht feststellen läßt, welche dieser einzelnen Handlungen zu der Schädigung geführt hat; sie hilft dem Geschädigten nur im Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität weiter. Auf den vorliegenden Fall übertragen bedeutet dies, daß der Kläger eine Haftung aller 5 Beklagten dann erreichen würde, wenn feststünde, daß sie alle geschossen haben, aber ihn nur ein Schuß getroffen hat, von dem nicht geklärt werden kann, welcher der Beklagten ihn abgefeuert hat. Derartiges wird vom Kläger aber nicht behauptet und ist auch offensichtlich nicht der Fall gewesen.

2. Da für eine unerlaubte Handlung der Beklagten zu 1., 2. und 5. zum Nachteil des Klägers nichts ersichtlich ist, ist die gegen sie gerichtete Klage ohne weiteres abzuweisen.

3. Nach dem Vortrag des Klägers und dem Inhalt der beigezogenen Strafakten kommen als Täter nur der Beklagte zu 3. oder der Beklagte zu 4. in Betracht. Insoweit ist eine abschließende Entscheidung zum Haftungsgrund noch nicht möglich, da noch weitere Sachaufklärung erforderlich ist; hierzu wird auf den zeitgleich verkündeten Beweisbeschluß verwiesen.

4. Unabhängig davon, ob der Beklagte zu 3. oder der Beklagte zu 4. als Täter festgestellt werden kann, ist die gegen sie gerichtete Berufung jedenfalls insoweit nicht begründet, als mit ihr ein höheres Schmerzensgeld als 20.000,-- DM verfolgt bzw. die Erstattung von Nebenklagekosten geltend gemacht wird. Hinzu im einzelnen:

a) Von der Art der Verletzung her, die der Kläger erlitten hat, käme nach den von der Rechtsprechung bisher entschiedenen Fällen unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Geldentwertung sowie des Umstandes, daß ein vorsätzliches Delikt vorliegt, zwar ein höheres Schmerzensgeld in Betracht, nämlich ein solches in einer Größenordnung von ca. 25.000,-- DM (vgl. insbesondere OLG Köln, VersR 1978, 1075 = r + s 1979 , 20 = Hacks/Ring/Böhm, ADAC-Handbuch Schmerzensgeldbeträge, 17. Aufl., Nr. 1063). Soweit der Kläger allerdings meint, die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgelds müsse hier noch stärker berücksichtigt werden, da der Täter strafrechtlich nicht belangt worden ist, kann ihm nicht gefolgt werden. Der Bun...

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