Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der späteren Verwendung von während der Vertragslaufzeit gespeicherten Daten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Verbot des § 4 Abs. 1 BDSG, personenbezogene Daten ohne Einwilligung des Betroffenen oder ohne Vorliegen eines besonderen Erlaubnistatbestandes zu nutzen, stellt insoweit eine das Marktverhalten regelnde Bestimmung i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG dar, als sie die Möglichkeiten der Marktteilnehmer betreffen, für ihre Produkte zu werben.

2. Die in § 28 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 lit. a) BDSG a.F. vorgenommene Wertung, wonach eine Verwendung mehrerer kombinierter Merkmale zur Beschreibung einer Personengruppe untersagt ist, ist auch im Rahmen des § 28 Abs. 2 BDSG a.F. bei der Prüfung der Frage zu berücksichtigen, ob die Nutzung der Daten zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich war. Daher dürfen die Information, dass eine bestimmte Person ein früherer eigener Kunde war, und die Information, zu welchem anderen Anbieter er gewechselt hat, nicht beide gemeinsam für ein Werbeschreiben verwertet werden; ein berechtigtes Interesse, gezielt die zu einem anderen Stromanbieter gewechselten Kunden nun wieder abzuwerben, besteht nämlich nicht.

3. Der nach § 28 Abs. 4 S. 2 BDSG erforderlichen Unterrichtung der Verbraucher über ihr Recht zum Widerspruch gegen die werbliche Nutzung ihrer Daten wird nicht durch eine entsprechende Information bei der Datenerhebung oder einem früheren Anschreiben genügt.

4. Die mit Wirkung vom 1.9.2009 in Kraft getretenen Änderungen des § 28 BDSG führen nicht zur Zulässigkeit der personalisierten Werbung gegenüber früheren Kunden.

 

Normenkette

BDSG a.F. § 4 Abs. 1; BDSG a.F. § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; BDSG a.F. § 28 Nr. 2; BDSG a.F. § 28 S. 2; BDSG a.F. § 28 Abs. 2; BDSG a.F. § 28 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 lit. a; BDSG a.F. § 28 Abs. 4 S. 2; BDSG n.F. § 28; UWG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Nr. 11

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Urteil vom 31.03.2010; Aktenzeichen 42 O 70/09)

 

Tenor

1.) Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Aachen vom 31.3.2010 im Kostenpunkt und zu Ziff. III wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen 2.984 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 2.186,40 EUR seit dem 4.5.2009 und aus einem weiteren Betrag von 797,60 EUR seit dem 7.7.2009 zu zahlen.

Hinsichtlich des weitergehenden Zahlungsantrags wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens erster Instanz tragen die Klägerinnen jeweils zu 11 % und die Beklagte zu 78 %.

Die Berufungen der Klägerinnen und die Berufung der Beklagten im Übrigen werden zurückgewiesen.

2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerinnen jeweils zu 11 % und die Beklagte zu 78 %.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann jedoch die Vollstreckung des Unterlassungsausspruchs durch Sicherheitsleistung i.H.v. 25.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Vollstreckung des Zahlungsausspruchs sowie hinsichtlich der Kosten kann die Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Entsprechendes gilt für die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch die Klägerin.

4.) Die Revision wird zugelassen, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

 

Gründe

I. Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Strommarkt. Die Beklagte führte Anfang 2009 eine Briefwerbeaktion durch. Sie schrieb gezielt Kunden an, die von ihr zu der Unternehmensgruppe der Klägerinnen gewechselt waren; das folgende Schreiben richtete sie an die Zeugin O, deren Wechsel zum 1.1.2008 erfolgt war:

(Abbildung entfernt)

Die Klägerinnen mahnten die Beklagte wegen dieser Werbeaktion ab (vgl. Anlage K 3, Bl. 9 des Anlagenhefts). Die Beklagte verpflichtete sich teilweise zur Unterlassung, lehnte aber eine Unterlassungsverpflichtung im Hinblick auf die geltend gemachten Verstöße gegen das Bundesdatenschutzgesetz ab (Anlage K 4, Bl. 14 des Anlagenhefts). Die Klägerinnen zahlten für die Abmahnung eine nach einem Streitwert i.H.v. 100.000 EUR berechnete Gebühr von 2.186,40 EUR (netto) an ihre Rechtsanwälte (vgl. Rechnung Anlage K 7, Bl. 29 des Anlagenhefts). Mit Schreiben vom 7.5.2009 forderten sie die Beklagte zur Anerkennung ihres Schadensersatzanspruchs und Erteilung von Auskünften auf; hierfür wendeten sie - berechnet nach einem Streitwert i.H.v. 25.000 EUR - weitere 1.117,60 EUR (netto) auf (vgl. Rechnung Anlage K 6, Bl. 28 des Anlagenhefts).

Die Klägerinnen sind der Ansicht, die Beklagte habe durch die Verwendung der personenbezogenen Daten ihrer früheren Kunden gegen das Bundesdatenschutzgesetz verstoßen und sich insofern zugleich wettbewerbswidrig verhalten. Ihre auf Unterlassung der Nutzung dieser Informationen für das verfahrensgegenständliche Schreiben (Tenor I.1) und der Versendung solcher Schreiben ohne Unte...

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