Verfahrensgang

LG Bonn (Entscheidung vom 11.01.2002; Aktenzeichen 3 O 507/00)

 

Gründe

Die zulässige, insbesondere statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Dem Kläger stehen Ansprüche aus §§ 1 I 1, 49 VVG i. V. m. § 12 Nr. 1 II lit. e) AKB - der einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage - nicht zu. Zu Recht hat das Landgericht die Klage auf Ersatz seines PKW-Kaskoschadens mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte sei wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles gemäß § 61 VVG von ihrer Leistungspflicht frei geworden. Unstreitig hat der Kläger den Unfall selbst verursacht, indem er auf der N. Straße in B.-B. trotz guter Sicht im Einmündungsbereich der Auffahrt zur xxx xxx ungebremst mit ca. 60 km/h eine rote Ampel überfuhr und dabei mit einem vorfahrtberechtigten Linksabbieger kollidierte, der die Fahrspur des Klägers aus der Gegenrichtung kommend überqueren wollte, um auf die Autobahn aufzufahren.

Grob fahrlässig im Sinne des § 61 VVG handelt derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und etwas unbeachtet lässt, was jedem hätte einleuchten müssen (Römer/Langheid, VVG, § 61 Rn. 29). Anders als bei der "einfachen" Fahrlässigkeit ist der Maßstab nicht ein ausschließlich objektiver. Vielmehr sind auch Umstände zu berücksichtigen, die die subjektive Seite der Verantwortlichkeit betreffen. Grobe Fahrlässigkeit setzt daher in objektiver und subjektiver Hinsicht eine aus dem normalen Rahmen der Fahrlässigkeit herausfallende gröbliche Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Im Bereich des Straßenverkehrs ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn das Verhalten des Versicherungsnehmers objektiv grob verkehrswidrig und subjektiv schlechthin unentschuldbar ist.

Rotlichtverstöße an Kreuzungen und Einmündungen werden von der vorherrschenden Meinung in der Rechtsprechung regelmäßig als grob fahrlässig bewertet, da von ihnen einerseits eine besondere Gefährlichkeit ausgeht und die Beachtung von Ampelzeichen andererseits zu den grundlegendsten Pflichten eines jeden Autofahrers gehört. Das Überfahren des Rotlichts einer Ampel wird dabei zugleich auch als Indiz für grobe Fahrlässigkeit in subjektiver Hinsicht angesehen (BGH, Urt. v. 8.7.1992, NJW 1992, 2418 = VersR 1992, 1085 = r+s 1992, 292, 293; OLG Hamm, NVersZ 2002, 23; r+s 2001, 317; r+s 2001, 275; NVersZ 2000, 386 = r+s 2000, 232; OLG Köln, NVersZ 2002, 225; r+s 2001, 318; NVersZ 2001, 466 = r+s 2001, 235; Schaden-Praxis 1995, 249; VersR 1990, 848; OLG Düsseldorf, Schaden-Praxis 2002, 143; OLG München, NZV 1999, 383).

Dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit kann der Versicherungsnehmer nur entgehen, wenn subjektive Besonderheiten vorliegen, die im Einzelfall in der Gesamtsicht eine mildere Beurteilung rechtfertigen. Dabei reicht es aber nicht aus, wenn sich der Rotlichtverstoß als sog. "Augenblicksversagen" darstellt; vielmehr müssen nach herrschender Rechtsprechung selbst dann noch weitere subjektive Umstände hinzukommen, damit eine mildere Beurteilung des Verstoßes möglich wird (BGH, r+s 1992, 292, 293; OLG Hamm, r+s 2001, 317; r+s 2001, 275; OLG Köln, VersR 1990, 848; MDR 1998, 594; r+s 1998, 493; r+s 2001, 318). Dies bedeutet nicht, dass der Versicherungsnehmer einen "Entlastungsbeweis" führen muss, denn grundsätzlich liegt die Beweislast für das Vorliegen grober Fahrlässigkeit im Sinne des § 61 VVG beim Versicherer. Vielmehr muss der Versicherungsnehmer die besonderen subjektiven Umstände - die nur er selbst kennen kann - lediglich substanziiert darlegen; der beweisbelastete Versicherer muss dann ggfls. dieses Vorbringen widerlegen (OLG Köln, r+s 2001, 318; r+s 2001, 235; OLG Hamm, r+s 2000, 232; der BGH hat in seinem Urteil vom 8.7.1992, r+s 1992, 292, die Frage der Beweislast nicht angesprochen.).

Solche besonderen Umstände, die den Rotlichtverstoß ausnahmsweise in einem milderem Licht erscheinen lassen, hat der Kläger vorliegend nicht darlegen können.

Es ist bereits zweifelhaft, ob dem Kläger überhaupt ein "Augenblicksversagen" zugute gehalten werden kann. Die Unfallstelle ist übersichtlich. Sie war aus der Fahrtrichtung des Klägers gesehen mit zwei Ampeln ausgerüstet, die den Geradeausverkehr regelten. Andere Lichtzeichen - z. B. für Abbieger -, die den Kläger hätten irritieren können, gab es nicht. Die Rechtsabbiegerspur, die auf die Autobahnauffahrt führt, endet bereits einige Meter vor der Einmündung, so dass im unmittelbaren Einmündungsbereich auch eine Behinderung oder Ablenkung durch abbiegenden Parallelverkehr ausgeschlossen werden kann. Die Ampel muss, als der Kläger sie passierte, bereits mehrere Sekunden lang Rotlicht gezeigt haben. Dies ergibt sich zwingend aus dem unstreitigen Umstand, dass der entgegenkommende Linksabbiegerverkehr über eine eigene Linksabbiegerampel gesteuert wurde, die den Verkehr nur freigab, wenn der Geradeausverkehr Rot hatte. Die Unfallge...

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