Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Frage der Wirksamkeit einer formularmäßigen Verjährungsregelung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine formularmäßige Regelung, nach der alle Ansprüche aus einem Handelsvertretervertrag in zwei Jahren nach Fälligkeit verjähren, spätestens gerechnet von der Erlangung der Kenntnis des Berechtigten von den Umständen, die die Entstehung des Anspruchs rechtfertigt bzw. von dem Zeitpunkt, in dem der Anspruch auf Grund einer zwingenden gesetzlichen Ausschlussfrist hätte geltend gemacht werden müssen, ist nach § 307 Abs. 1 BGB unter Berücksichtigung der Gewohnheiten und Gebräuche des Handelsverkehrs (§ 310 Abs. 1 S. 2 BGB) unwirksam. Nach dem Wortlaut der Klausel - insbesondere durch die Formulierung "... spätestens gerechnet von Erlangung der Kenntnis des Berechtigten von den Umständen, die die Entstehung des Anspruchs rechtfertigt ..." - ist unklar, ob zur Fälligkeit Kenntnis hinzukommen muss, so dass der Anspruch frühestens zwei Jahre nach Fälligkeit verjähren kann, oder ob frühere Kenntnis die Verjährung vor Fälligkeit in Gang setzt.

Bei der Inhaltskontrolle einer AGB-Klausel kommt es nicht darauf an, ob die Bestimmung im konkreten Einzelfall, also im Verhältnis der konkreten Parteien, angemessen ist. Vielmehr ist in einer überindividuell-generalisierenden, von den konkreten Umständen des Einzelfalls absehenden Betrachtungsweise zu prüfen, ob die Regelung generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise den Vertragspartner unangemessen benachteiligt. Der Prüfung der Angemessenheit einer AGB-Klausel ist deshalb ihr vertraglich geregelter Inhalt und nicht ihre tatsächliche Handhabung im Einzelfall zugrunde zu legen. Eine unangemessene AGB-Klausel kann folglich nicht deswegen aufrechterhalten werden, weil der Verwender nicht in vollem Umfang von der Klausel Gebrauch macht.

 

Normenkette

AGB-Kontrolle

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 04.09.2009; Aktenzeichen 89 O 1/09)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 4.9.2009 verkündete Teilurteil der 9. Kammer für Handelssachen des LG Köln - 89 O 1/09 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien schlossen unter dem 1.7.2003 mit Wirkung ab dem 4.4.2003 einen schriftlichen Handelsvertreter-Vertrag (Anlage K1, Anlagenmappe). Auf Grund dieses Vertrages vertrieb der Kläger für die Beklagte Sonnenbrillen der Kollektionen H B, F B und N N.

Der Vertrag enthält u.a. die folgenden Klauseln:§ 7 Abs. 6

"Die Ansprüche auf Provisionen nach Abs. 1 und 2 und auf Provisionsvorschuss nach Abs. 5 werden in dem Zeitpunkt fällig, in dem gem. § 11 Abs. 1 spätestens über sie abzurechnen ist."

§ 11 Abs. 1

"Der Unternehmer hat über die Provision, auf die der Handelsvertreter Anspruch hat, monatlich, und zwar spätestens bis zum Ende des der unbedingten Entstehung des Provisionsanspruches folgenden Kalendermonats, abzurechnen. (...)"

§ 14 Abs. 3 "Der Handelsvertreter ist verpflichtet, jede Konkurrenztätigkeit insbesondere jedwede Vertriebstätigkeit für Unternehmen zu unterlassen, die gleiche oder gleichartige Artikel zum Verkauf anbieten, gleichgültig, ob diese Tätigkeit in einem Anstellungsverhältnis oder selbständig als Handelsvertreter, Kommissionär oder Vertragshändler ausgeübt wird. Der Handelsvertreter darf sich während des Vertragsverhältnisses auch nicht an einem solchen Unternehmen direkt oder indirekt beteiligen oder es auf andere Weise fördern." § 15 Abs. 1"Alle Ansprüche aus diesem Vertrag verjähren in zwei Jahren nach Fälligkeit, spätestens gerechnet von der Erlangung der Kenntnis des Berechtigten von den Umständen, die die Entstehung des Anspruchs rechtfertigt bzw. von dem Zeitpunkt, in dem der Anspruch auf Grund einer zwingenden gesetzlichen Ausschlussfrist hätte geltend gemacht werden müssen. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, dass die Verjährungsfrist abgekürzt wird, um eventuelle Unstimmigkeiten zügig zu regeln."

Mit Schreiben vom 21.12.2007 kündigte die Beklagte den Handelsvertreter-Vertrag insgesamt fristlos, unter Nennung verschiedener Gründe: Der Kläger habe seine Tätigkeit für die Firma E, die Reinigungsprodukte vertreibt, nicht eingestellt. Zudem betreibe er ein eigenes Gewerbe. Weiter habe der Kläger Eigengeschäfte mit Musterkollektionen betrieben. Schließlich habe er unzulässige Kommissionsgeschäfte getätigt. Der Kläger widersprach der fristlosen Kündigung und erklärte unter dem 28.12.2007 seinerseits die fristlose Kündigung.

Außergerichtlich machte der Kläger mit Schreiben vom 7.8.2008 bei der Beklagten unter Fristsetzung bis zum 1.9.2008 restliche Provisionen (nach Buchauszug) in einer Größenordnung von etwa 40.000 EUR, Schadensersatz i.H.v. 15.900 ...

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