rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Höheres Schmerzensgeld bei verzögerlichem Regulierungsverhalten

 

Leitsatz (amtlich)

Hindert ein LKW einen Fussgänger daran, den Gehweg zu benutzen, so trifft den Fussgänger kein Mitverschulden, wenn er unter Beachtung des Fahrzeugverkehrs die Fahrbahn betritt.

Den Kraftfahrer, der wegen tiefstehender Sonne den seitlichen Abstand zu dem auf dem Gehweg parkenden LKW falsch einschätzt, diesen LKW touchiert und den Fussgänger anfährt, trifft das alleinige Verschulden an dem Unfall.

Ein Kfz-Haftpflichtversicherer, der keinen angemessenen Teilbetrag auf das Schmerzensgeld leistet, obwohl er davon ausgeht, mindestens 1/3 des Schadens ersetzen zu müssen, verzögert die Schadensregulierung. Fühlt sich das Unfallopfer durch dieses Reegulierungsverhalten gekränkt oder verächtlich gemacht, muss das Schmerzensgeld höher als üblich ausfallen, jedenfalls aber an der oberen Grenze des angemessenen Schmerzensgeldes liegen.

Das dem Kläger zugesprochene Schmerzensgeld kann über den bezifferten Antrag hinaus zugesprochen werden, zumal der Kläger nur einen Mindestbetrag angegeben hat (vgl. BGHZ 132, 341 ff., 350 = VersR 96, 990, 992 und Lepa, Auffälligkeiten des Haftpflichtprozesses in unserer Zeit, VersR 01, 265 ff., 268 m.w.N.).

 

Normenkette

BGB §§ 254, 823, 847; StVG §§ 7, 17; PflVG § 3

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 20 O 529/99)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 18.05.2000 – 20 0 529/99 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger weitere 7.552,50 DM nebst 4% Zinsen seit dem 21.03.1999 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den gesamten materiellen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger aus dem Unfallereignis vom 29.06.1998 ab dem 13.04.2000 entstanden ist und noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache ganz überwiegend Erfolg.

Dem Kläger steht gegen die Beklagten aus dem Unfallgeschehen vom 29.06.1998 ein Anspruch auf Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens zu, §§ 7, 17 StVG; 3 PflVG; 823, § 847 BGB. Eine Anspruchsminderung wegen Mitverschuldens des Klägers nach § 254 BGB ist nicht gegeben.

Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Beklagte zu 1) sich verkehrswidrig verhalten hat, weil er den auf der Strasse neben dem dort parkenden LKW des Streitverkündeten gehenden Kläger gegen die tiefstehende Sonne nicht gesehen und in Höhe des Fahrerhauses des LKW angefahren hat. Den Beklagten zu 1) trifft ein Verschulden, weil er – von der Sonne geblendet – nicht auf Sicht und zudem sehr unaufmerksam gefahren ist und zum LKW keinen Seitenabstand eingehalten hat. Unstreitig fuhr der Beklagte zu 1), bevor er den Kläger anfuhr, gegen die hintere linke Ecke des LKW. Dieses dem Beklagten zu 1) vorwerfbare Fahrverhalten ergibt sich schon daraus, dass er nicht nur den Beklagten zu 1) nicht gesehen hat, sondern sich zudem bezüglich des Ausmaßes des LKW, der nach dem unbestrittenen Vorbringen des Streitverkündeten die Warnblinkanlage eingeschaltet hatte, völlig verschätzt hatte, so dass er die hintere linke Ecke des Fahrzeugs touchierte. Einen Seitenabstand musste er schon deshalb einhalten, weil er – von der Sonne geblendet – nicht ausschließen konnte, dass der Fahrer des LKW dicht neben seinem Fahrzeug stand.

Den Kläger trifft dagegen kein Mitverschulden.

Das Landgericht hat das Mitverschulden u.a. auf die Aussagen der von ihm vernommenen Zeugen gestützt. Der Beweiswürdigung des Landgerichts kann jedoch nicht gefolgt werden. Einer Wiederholung der Beweisaufnahme vor dem Senat bedurfte es denoch nicht, weil das Landgericht den unstreitigen Sachverhalt nicht völlig ausgeschöpft hat und bei der Beweiswürdigung nicht erörtert hat, dass der Zeuge P. das Geschehen offenbar nicht in vollem Umfang zuverlässig in Erinnerung hatte.

Der Kläger betrat die Fahrbahn, weil der Fußweg durch einen Radlader völlig blockiert war. Dies ist unstreitig, die entgegenstehende Aussage des Zeugen P., er habe den Radlader erst weggefahren, nachdem die Polizei den Unfallort wieder verlassen hatte, ist ersichtlich falsch, weil der Radlader auf den von der Polizei gefertigten Fotos nicht (mehr) zu sehen ist.

Nachdem der Kläger gezwungenermaßen die Fahrbahn betreten hatte, um an dem Radlader vorbeizugehen, könnte ihm daraus, dass er zwischen Radlader und LKW nicht wieder auf den Fußweg zurückgekehrt ist, nur dann ein Vorwurf gemacht werden, wenn dies ohne weiteres möglich gewesen wäre. Es ist jedoch nicht bewiesen, dass dies der Fall war. Es steht nicht fest, welcher Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen bestand. Selbst wenn es – wie der Zeu...

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