Entscheidungsstichwort (Thema)

"Rückgewinnungsschreiben an früheren Stromkunden": Zulässigkeit der späteren Verwendung von während der Vertragslaufzeit gespeicherten Daten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Verbot des § 4 Abs. 1 BDSG, personenbezogene Daten ohne Einwilligung des Betroffenen oder ohne Vorliegen eines besonderen Erlaubnistatbestandes zu nutzen, stellt insoweit eine das Marktverhalten regelnde Bestimmung i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG dar, als sie die Möglichkeiten der Marktteilnehmer betreffen, für ihre Produkte zu werben.

2. Die in § 28 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 lit. a) BDSG vorgenommene Wertung, wonach eine Verwendung mehrerer kombinierter Merkmale zur Beschreibung einer Personengruppe untersagt ist, ist auch im Rahmen des § 28 Abs. 2 BDSG bei Prüfung der Frage zu berücksichtigen, ob die Nutzung der Daten zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich war. Daher dürfen die Information, dass eine bestimmte Person ein früherer eigener Kunde war, und die Information, zu welchem anderen Anbieter er gewechselt hat, nicht beide gemeinsam für ein Werbeschreiben verwertet werden.

3. Der nach § 28 Abs. 4 S. 2 BDSG erforderlichen Unterrichtung der Verbraucher über ihr Recht zum Widerspruch gegen die werbliche Nutzung ihrer Daten wird nicht durch eine entsprechende Information bei der Datenerhebung oder einem früheren Anschreiben genügt (a.A. Gola/Schomerus, BDSG, § 28 Rz. 63).

 

Normenkette

BDSG § 4 Abs. 1, § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 28 Nr. 2 u. S. 2, § 28 Abs. 2, 3 S. 1 Nr. 3 lit. a, Abs. 4 S. 2; UWG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Nr. 11

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Urteil vom 20.04.2009; Aktenzeichen 42 O 33/09)

 

Tenor

I. Unter Zurückweisung der Berufung der Antragsgegnerin wird das am 20.4.2009 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Aachen - 42 O 33/09 - wie folgt abgeändert:

1. Der Antragsgegnerin wird untersagt,

a) im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs ehemalige eigene Kunden zum Zwecke der Werbung anzuschreiben, wenn sie hierbei die Information nutzt, dass diese zur Antragstellerin gewechselt sind, eine Einwilligung der Verbraucher in die Nutzung dieser Information nicht vorliegt und dies geschieht wie nachstehend wiedergegeben:

b) Verbraucher nach Beendigung der Geschäftsbeziehung für Zwecke der Werbung anzuschreiben, ohne diese über die verantwortliche Stelle und ihr Recht zum Widerspruch gegen die werbliche Nutzung ihrer Daten gem. § 28 Abs. 4 Satz 2 BDSG zu unterrichten.

2. Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziff. 1. a) und b) genannten Verpflichtungen ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft für einen Zeitraum bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft an dem Vorstand der Antragsgegnerin zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf.

II. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin zu 3/8 und die Antragsgegnerin zu 5/8.

 

Gründe

I. Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Strommarkt. Die Antragsgegnerin führte Anfang 2009 eine Briefwerbeaktion durch. Dabei schrieb sie gezielt Kunden, die von der Antragsgegnerin zu den Antragstellerinnen gewechselt waren, an. Das aus dem Tenor ersichtliche Schreiben richtete sich an eine Kundin, deren Wechsel des Stromanbieters ca. 14 Monate zurücklag. Die Antragstellerinnen mahnten die Antragsgegnerin wegen dieser Werbeaktion ab, die Antragsgegnerin verpflichtete sich teilweise zur Unterlassung, lehnte aber eine Unterlassungsverpflichtung im Hinblick auf die von den Antragstellerinnen geltend gemachten Verstöße gegen das Bundesdatenschutzgesetz ab.

Die Antragstellerinnen haben nach mündlicher Verhandlung vor dem LG eine einstweilige Verfügung erwirkt. Hiergegen hat die Antragsgegnerin Berufung eingelegt, mit der sie die Aufhebung der einstweiligen Verfügung und die Zurückweisung des Verfügungsantrags begehrt. Die Antragstellerinnen haben den Verfügungsantrag wie aus dem Tenor ersichtlich umformuliert und ihn im Übrigen zurückgenommen; in diesem Umfang verteidigen sie das angefochtene Urteil.

II. Die Berufung ist zulässig, hat aber gegen den eingeschränkten Verfügungsantrag keinen Erfolg. Die Antragstellerinnen haben in diesem Umfang gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Unterlassung aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG i.V.m. §§ 4, 28 BDSG.

1.a) Die Antragsgegnerin hat mit der Versendung der Werbeschreiben zu dem Zweck gehandelt, den Absatz ihrer eigenen Produkte zu fördern (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004). Das Werbeschreiben ist zugleich eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG in der seit dem 30.12.2008 geltenden Fassung. Die Neufassung des Gesetzes, die im Hinblick auf die in die Zukunft gerichteten von den Antragstellerinnen gestellten Unterlassungsanträge zu berücksichtigen ist, ist in dieser Hinsicht nicht enger als der Begriff der Wettbewerbshandlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004 (vgl. BGH, Urt. v. 15.1.2009 - I ZR 141/06 - Überregionaler Krankentransport, Tz. 11).

b) Das Verbot gem. § 4 Abs. 1 BDSG, personenbezogene Daten...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge