Entscheidungsstichwort (Thema)

Angehörigenschmerzensgeld, Kein Angehörigenschmerzensgeld bei bloßer weiterer Verschlimmerung einer dramatischen Gesundheitssituation

 

Leitsatz (amtlich)

Ärztliches Fehlverhalten (hier verspätete Reaktion), das eine ohnehin dramatische gesundheitliche Situation lediglich weiter aufrechterhält und nicht erheblich verschlimmert, führt jedenfalls unter der bis 2017 geltenden Rechtslage nicht zu einem Anspruch auf Schmerzensgeld für einen nahen Angehörigen, auch wenn nach dessen Behauptung gerade das Fehlverhalten zu schwerwiegenden psychischen Reaktionen geführt haben soll.

 

Normenkette

BGB a.F. § 253; BGB §§ 280, 611, 823

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 25 O 326715)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 21.05.2019; Aktenzeichen VI ZR 299/17)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 26.10.2016 - 25 O 326/15 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das vorliegende Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist die Ehefrau des inzwischen verstorbenen Herrn L H (im Folgenden: der Patient). Der Patient ließ am 27.04.2012 im Krankenhaus der Beklagten eine Koloskopie vornehmen. Bei dem Eingriff wurde der Darm perforiert. Der Patient erlitt eine Peritonitis und musste mehrfach operiert werden. Er blieb nach Eintritt von Komplikationen bis zum 05.06.2012 in stationärer Behandlung im Hause der Beklagten.

Der Patient holte ein Privatgutachten von Dr. T zu der Frage ärztlicher Behandlungsfehler ein (Gutachten vom 30.01.2014, Anlage K 9). Dr. T kam zu dem Ergebnis, dass die Perforation des Darmes zwar eine schicksalshafte Komplikation der Koloskopie gewesen sei, es indes einen groben Fehler dargestellt habe, den Darmwanddefekt drei Tage nach der Perforation im Stadium der akuten Entzündung laparoskopisch zu übernähen. Prof. Dr. T2 stellte in seinem für die B erstatteten Gutachten ebenfalls Behandlungsfehler fest (Gutachten vom 18.12.2012, Anlage K 8). Die Operation sei verspätet und unter Verwendung einer fehlerhaften Operationstechnik durchgeführt worden. Der Patient einigte sich mit dem Haftpflichtversicherer der Beklagten auf eine Abfindungszahlung in Höhe von 90.000,- EUR.

Die Klägerin verklagte die Deutsche Rentenversicherung auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung (Sozialgericht Köln, Az. S 2 R 366/15). In dem dortigen Verfahren machte die Klägerin geltend, sie sei wegen der Folgen einer Krebserkrankung, wegen Bandscheibenschäden sowie wegen einer mittelgradig-depressiven Episode als Folge der lebensbedrohlichen Erkrankung ihres Ehemannes im Jahr 2012 in der Erwerbsfähigkeit gemindert. Nach Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. S erkannte die Deutsche Rentenversicherung die volle Erwerbsminderung der Klägerin für den Zeitraum vom 01.02.2015 bis 31.12.2016 an.

Die Klägerin hat behauptet, ihr Ehemann sei im Hause der Beklagten grob fehlerhaft behandelt worden. Er habe über mehrere Wochen in akuter Lebensgefahr geschwebt. Infolge der Fehlbehandlung und der hierdurch verursachten lebensbedrohlichen Erkrankung ihres Ehemannes habe sie massive psychische Beeinträchtigungen in Form eines depressiven Syndroms mit ausgeprägten psychosomatischen Beschwerden und Angstzuständen erlitten. Sie leide bis heute an Schlafstörungen, ständiger Angst vor schlechten Nachrichten, rezidivierender Übelkeit und panischer Angst vor Krankenhäusern. Sie traue sich kaum noch, die Wohnung zu verlassen. Trotz regelmäßiger Einnahme von Psychopharmaka und regelmäßiger psychotherapeutischer Behandlungen habe sich die Beschwerdesymptomatik nicht gebessert. Sie sei nicht mehr erwerbsfähig und könne auch den Haushalt nicht mehr eigenständig versorgen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes, eigenes Schmerzensgeld wegen ihrer psychischen Beeinträchtigungen mit Krankheitswert auf Grund der fehlerhaften Behandlung ihres Ehemannes, des Herrn L H, im Zeitraum vom 28.04. bis 5.6.2012 zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 15.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.02.2015;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle vergangenen und künftigen materiellen Schäden sowie unvorhersehbare künftige immaterielle Schäden, die ihr auf Grund der o.g. Diagnose in Folge der fehlerhaften Behandlung ihres Ehemannes entstanden sind bzw. noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweis...

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