Verfahrensgang

LG Bonn (Urteil vom 31.03.2009; Aktenzeichen 7 O 4/09)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Bonn vom 31.3.2009 - 7 O 4/09 LG Bonn- teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 2.525,41 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 17.1.2009 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 58 % und die Beklagte zu 42 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)

I. Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte wegen unberechtigter Zahlungsabbuchungen für die Kundenzeitschrift "G" ein Anspruch auf Rückzahlung von 2.525,41 EUR gem. § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 BGB zu. Die zu Lasten des Provisionskontos des Klägers erfolgten Abbuchungen erfolgten insoweit ohne Rechtsgrund. Der weitergehenden Klageforderung hinsichtlich unberechtigter Abbuchungen für die Kundenzeitschrift steht die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede entgegen; sie ist daher nicht durchsetzbar (§ 214 BGB).

Hinsichtlich der zurückverlangten Abbuchungsbeträge für die EDV-Sachkostenpauschale ist die Klage unbegründet, da die Abbuchungen insoweit mit Rechtsgrund erfolgten und dem Kläger deshalb ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 BGB nicht zusteht.

Im Einzelnen:

1. Die vertraglichen Regelungen der Parteien in Art. III, 2. Absatz des Grundvertrages bzw. Art. IV Ziff. 2. der Mitarbeiter-Richtlinien (Anlage K 1, Bl. 8, 12 GA) sowie die darauf beruhende Abbuchungspraxis verstoßen gegen § 86a Abs. 1 HGB mit der Folge ihrer Unwirksamkeit (§ 86a Abs. 3 HGB), während die Vertragsabrede der Parteien in Ziff. 1.1 (5) des Nutzungsvertrages über Vertriebssoftware/Hardware (Anlage K 3, Bl. 15 f. GA) und die darauf beruhende Abbuchungspraxis schon nach dem Vortrag des Klägers die Annahme eines Verstoßes gegen § 86a Abs. 1 HGB nicht zulassen.

Nach § 86a Abs. 1 HGB hat der Unternehmer dem Handelsvertreter "die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen, wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen, zur Verfügung zu stellen". Die Bestimmung ist konkrete Ausprägung der allgemeinen Rechtspflicht des Unternehmers, den Handelsvertreter bei seiner Arbeit zu unterstützen. Die Aufzählung der Unterlagen im Gesetz ist nur beispielhaft, nicht abschließend. Der Begriff der Unterlagen ist weit zu fassen. Welche Unterlagen erforderlich sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Branchenüblichkeit, dem Gegenstand der Absatzmittlung und dem Tätigkeitsbild des Handelsvertreters (Canaris/Habersack/Schäfer-Emde, HGB, 5. Aufl., § 86a, Rz. 69 f.; Oetker-Busche, HGB, § 86a, Rz. 5; Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., § 86a, Rz. 5; Martinek/Semler/Habermeier-Flohr, Handbuch des Vertriebsrechts, 2. Aufl., § 12, Rz. 70; Röhricht/Graf von Westphalen-Thume, HGB, 3. Aufl., § 86a, Rz. 3; v. Hoyningen-Huene in MünchKomm/HGB, § 86a, Rz. 2 ff.). Der Handelsvertreter soll durch die zur Verfügung gestellten Unterlagen in die Lage versetzt werden, die Gegenstände der Absatzmittlung bei den Kunden anzupreisen (Oetker-Busche, a.a.O., Rz. 5; Baumbach/Hopt, a.a.O., Rz. 5; Martinek/Semler/Habermeier-Flohr, a.a.O., Rz. 70). Ausschlaggebend ist, was objektiv aus der Sicht eines normalen Handelsvertreters der jeweiligen Branche für die sachgerechte und erfolgreiche Erledigung der übertragenen Aufgabe, das Produkt mit Erfolg abzusetzen, benötigt wird. Erforderlich kann darüber hinaus sein, was der Handelsvertreter aus seiner Sicht mit guten Gründen für den Erfolg seiner Tätigkeit für notwendig hält. Im Einzelnen gehören dazu neben Musterstücken auch spezielle, die konkrete Vertriebstätigkeit im Einzelfall betreffende Computersoftware und umfassendes Werbematerial (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Löwisch, HGB, 2. Aufl., § 86a, Rz. 16). Der Unternehmer muss grundsätzlich alle produktspezifischen Hilfsmittel aus seiner Sphäre bereitstellen, auf die der Handelsvertreter objektiv besehen oder nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zur Ausübung seiner Vermittlungs- und Abschlusstätigkeit und zur Anpreisung der Ware angewiesen ist. Der Unternehmer ist der Geschäftsherr und steht seinem Produkt näher als der Handelsvertreter, so dass er die Hilfsmittel, die speziell auf die von der Vertriebspflicht erfassten Produkte abgestimmt sind, bereitstellen und auf aktuellem Stand halten muss (Canaris/Habersack/Schäfer-Emde, a.a.O., § 86a, Rz. 69 f. m.w.N.). Produktunspezifische, allgemeine Hilfsmittel, die auch ein Handelsvertreter benötigte, der andere Produkte vertreibt, muss der Handelsvertreter dagegen selbst anschaffen. Büromaterialien und Hilfsmittel, die üblicherweise zur Einrichtung des Gewerbebetriebs des Handelsvertreters gehören, braucht daher der Unternehmer nicht bereitzuste...

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