Entscheidungsstichwort (Thema)

Art der Einbringung einer Hüftprothese als aufklärungspflichtiger Umstand

 

Leitsatz (amtlich)

Ob eine Hüft-Totalendoprothese einzementiert oder zementfrei eingebracht wird, ist nicht automatisch eine Frage der ausschließlich vom Behandler zu entscheidenden Frage der Behandlungsmethode. Wenn wesentliche Aspekte der nachoperativen Lebensführung (etwa die Frage, ob und inwieweit sich der Patient zutraut, das Bein hinreichend zu entlasten) davon abhängen, kann es sich um eine echte Behandlungsalternative handeln, über die der Patient zur wirksamen Einwilligung in die Operation aufzuklären ist.

 

Normenkette

BGB §§ 280, 611, 823

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 25 O 213/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17.06.2015 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 25 O 213/11 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagten zu 1) bis 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 80.000,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 60.000,- EUR seit dem 6.2.2009 und aus einem weiteren Betrag in Höhe von 20.000,- EUR seit dem 27.08.2011 zu zahlen.

2. Die Beklagten zu 1) bis 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 3.287,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.460,- EUR seit dem 26.08.2009, aus weiteren 200,- EUR seit dem 31.01.2010, aus weiteren 1.562,30 EUR seit dem 29.02.2011 sowie aus weiteren 65,- EUR seit dem 27.08.2011 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche unvorhersehbaren künftigen immateriellen sowie alle weiteren vergangenen und künftigen materiellen Schäden, die ihr aus der rechtswidrigen Operation vom 26.09.2006 entstanden sind bzw. noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden wie folgt unter den Parteien verteilt: Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin zu 54 % und die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner zu 46 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) bis 3) tragen die Klägerin zu 8 % und die Beklagten zu 1) bis 3) zu 92 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 4) bis 6) trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die am 08.05.1947 geborene Klägerin litt unter einer progredienten rheumatoiden Polyarthritis und nahm kortisonhaltige Medikamente ein, als sie sich im Juli 2006 mit dem Verdacht auf Hüftgelenksnekrose rechts im St. G-Hospital L vorstellte. Die Beklagte zu 1) ist Trägerin dieses Krankenhauses. Der Beklagte zu 2) war dort seinerzeit Chefarzt der orthopädischen Abteilung. Der Klägerin wurde zur Implantation einer Hüft-Totalendoprothese geraten.

Die Klägerin wurde am 25.09.2006 stationär im Hause der Beklagten zu 1) aufgenommen. Am 26.09.2006 wurde der Klägerin durch den Beklagten zu 3) eine zementfreie Hüftgelenksprothese implantiert. Am 06.10.2006 wurde radiologisch eine proximale Femurschrägfraktur mit Abriss des Trochanter majors rechts nachgewiesen. Bei der am 09.10.2006 durchgeführten Operation wurde auf einen Revisionsschaft gewechselt sowie die Fraktur reponiert und mittels Drahtcerclagen versorgt. Die Operation führte ebenfalls der Beklagte zu 3) durch. Am 31.10.2006 wurde die Klägerin aus der stationären Behandlung entlassen. Sie befand sich in der Zeit vom 31.10.2006 bis zum 07.12.2006 in einer Rehabilitationseinrichtung in Aachen. Am 15.12.2006 stellte sie sich ein letztes Mal im Hause der Beklagten zu 1) zur Kontrolle vor.

Die Klägerin war in der Zeit vom 26.02.2007 bis zum 06.04.2007 im Kreiskrankenhaus E in stationärer Behandlung. Nach Diagnose einer Sinterung mit Lockerung der Schaftprothese wurde am 27.02.2007 ein neuer Keramikkopf eingesetzt, eine Prothesenverlängerung vorgenommen und eine Antibiotikakette eingelegt. Die Kette wurde am 12.03.2007 wieder operativ entfernt. Nach der Entlassung aus der Klinik schloss sich eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in C an. Während dieses Aufenthaltes stellte sich die Klägerin notfallmäßig in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik N vor. Aufgrund eines Infektverdachts wurde eine Punktion des rechten Hüftgelenks durchgeführt. Dabei wurde der Keim Staphylokokkus aureus nachgewiesen.

Wegen des Verdachts eines tiefen Infekts begab sich die Klägerin am 13.06.2007 in die stationäre Behandlung im Hause der Beklagten zu 4). Geplant war ein Ausbau der Hüftprothese mit ausgiebigem Debridement, Schaffen einer Girdlestone-Situation mit Einlage von Antibiotika-Spacer-Zement und eventuellem Prothesenwechsel. Die Operation vom 18.06.2007 führte der B...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge